Sind Solid-State Batterien wirklich „the next big thing”? Wo kann die Solid-State Batterie überzeugen? Und in welchen Bereichen gibt es Schwächen? Dieser Artikel liefert einen Überblick.
Li-Ionen Batterien 2028
Für die Li-Ionen-Batterie sind bis 2028 vor allem zwei Entwicklungen zu erwarten: Bei den Kathoden wird sich die NMC(Nickel Mangan Kobalt)-Kathode weiter dominant zeigen, wobei sich die der Anteil von Nickel von heute 50-60 % auf 70-80 % erhöhen wird und Kobalt und Mangan entsprechend weniger eingesetzt werden (NMC811 dürfte die Marktfähigkeit erreichen und damit NMC532 mittelfristig verdrängen). [2]
Bei der Anode wird heutzutage in der Regel Grafit eingesetzt. Es wird erwartet, dass diesem künftig kleine Mengen Silizium beigemischt wird und dadurch höhere Energiedichten erreicht werden können. Der Anteil an zusätzlichem Silizium soll dabei in den nächsten Jahren immer weiter steigen. [2]. Im Bereich der Elektrolyten sind keine weitreichenden Veränderungen zu erwarten. An der Weiterentwicklung heutiger Elektrolyte wird zwar geforscht, der Fokus liegt hier aber vor allem auf der Zugabe von Additiven [2] zum Beispiel zur Verringerung der Brandgefahr oder zur Erhöhung der Spannungsfestigkeit [3].
Solid-State Batterien 2028
Ein Ausblick auf die Technologie der Solid-State Batterien ist nicht ganz einfach, da die Informationen weitestgehend auf Angaben und Pläne der Hersteller basieren und dementsprechend Unsicherheiten unterlegen.
Im Detail unterscheidet sich die Technologie teilweise erheblich, die meisten Hersteller planen jedoch mit Li-Metall als Anode (z.B. QuantumScape [4]). Als Kathode wird im Wesentlichen das gleiche Material wie bei Li-Ionen-Batterien verwendet, wobei zu beachten ist, dass einige Festelektrolyten nicht mit allen Kathodenmaterialien kompatibel sind. Als Elektrolyt können Oxid, Sulfid oder Polymerbasierte Materialien verwendet werden (Mehr Informationen zu den Solid-State Elektrolyten finden sich hier analysiert), wobei Polymerbatterien heute am nächsten an der Serienreife sind.
Auswahl der zu vergleichenden Zellen
Es werden vier Konfigurationen verglichen: Zwei Li-Ionen-Zellen und zwei Solid-State-Batterien. Für die beiden Lithium-Ionen-Batterien wird als Anode jeweils eine Grafitanode mit 10 % Beimischung von Silizium angenommen. In Laboruntersuchungen konnte damit die Kapazität im Vergleich zu reinen Graphit-Anoden bereits verdoppelt werden [5], wenngleich nicht davon auszugehen ist, dass diese Werte in der Serienproduktion erreicht werden. Als Kathode wird einmal NMC811 für High-Energy-Anwendungen und einmal LFP für Long-Life-Anwendungen gewählt.
Für die Solid-State-Chemie sind in der Literatur bereits vielversprechende Materialkombinationen beschrieben [6], weswegen sich im Vergleich hier darauf bezogen wird.
Als Anode wird in beiden Fällen Li-Metall betrachtet. Für die erste Solid-State Zelle wird NMC811 und ein Sulfid-Elektrolyt verwendet. Mit diesem Elektrolyt ist der Betrieb bei Raumtemperatur grundsätzlich möglich und es können auch ordentliche Laderaten erreicht werden, es ist aber vermutlich eine Zwischenschicht zwischen Elektrolyt und Anode nötig, um parasitäre Reaktionen zu verhindern [6].
Die zweite Solid-State-Zelle orientiert sich an einem Zellkonzept welches von Blue-Solutions verfolgt wird [7] und besitzt neben einer Li-Metall-Anode einen Polymer-Separator. Dieser ist zwar schon sehr nah an der Serienreife (wird z.B. bei Mercedes eCitaro eingesetzt [8]), hat aber den Nachteil, dass ein Betrieb bei Umgebungstemperatur nicht möglich ist und die Batterie geheizt werden muss. Aufgrund des geringen Stabilitätsfensters des Separators wird LFP als Kathode genutzt, was mit einer geringeren Energiedichte verbunden ist [6].
Ergebnisse des Vergleichs
Abbildung 1: Vor- und Nachteile von Solid-State Batterien im Vergleich zu Li-Ionen Batterien. Vergleich des Entwicklungsstands wie er für 2028 erwartet wird, Eigene Darstellung
In Abbildung 1 ist ein Netzdiagramm dargestellt, das die Zellen hinsichtlich deren Sicherheit, Leistung, Energiedichte, Lebensdauer und erwartete Kosten vergleicht. Die Stärken und Schwächen der Zellen unterscheiden sich dabei erheblich und es zeigt sich, dass es keine Zellvariante gibt, die in allen Kategorien überzeugen kann.
Bei der Energiedichte schneidet die Solid-State Batterie mit NMC-Kathode und Sulfidelektrolyt am besten ab. In der Literatur wird beschrieben, dass die Energiedichte im Vergleich zu heutigen Li-Ionen-Batterien um bis zu 25 % höher liegen könnte [6]. Die LFP-Solid-State-Batterie erreicht aufgrund der Li-Metall-Anode Werte, wie sie bei Li-Ionen-Zellen nur mit NMC-Kathoden erreicht werden, wobei langfristig auf Zelleebene sogar eine weitere Steigerung der Energiedichte denkbar ist. Aufgrund des Polymerelektrolyt ist allerdings eine Heizung nötig.
Bei der Leistung zeigt sich ein ambivalentes Bild. Aufgrund des schlechten Ionenleitwerts von Polymerelektrolyten sind bei der LFP-Solid-State-Batterie keine hohen Leistungen zu erwarten und schneidet damit schlechter ab, als LFP-Li-Ionen-Zellen, die eine vergleichsweise hohe Leistung aufbringen können. Li-Metall-Anoden neigen bei hohen Strömen grundsätzlich zu einer stärkeren Lithium-Ablagerungen und damit verbundenen Dendriten, sodass hohe Leistungen mittelfristig nicht möglich sein werden und Solid-State-Batterien insgesamt nicht besser als NMC-Li-Ionen-Zellen abschneiden.
Die Sicherheit der Zellen ist bei Solid-State Batterien tendenziell besser als bei Li-Ionen-Batterien, da ein höheres Temperaturfenster genutzt werden kann. Exotherme Reaktionen, die zu einem Thermal Runaway führen gibt es erst bei höheren Temperaturen, was zu einer allgemein verbesserten Sicherheit führt. Allerdings neigen Solid-State-Batterien mit Li-Anode wesentlich stärker zu Dendriten-Bildung, was das Auftreten von internen Kurzschlüssen wahrscheinlicher macht. LFP als Kathodenmaterial ist dabei deutlich robuster als NMC, weil die PO4 -Verbindung chemisch stabiler als die von CoO2 ist und nur langsam Sauerstoff freisetzt [9]. Die LFP-Solid-State Batterie schneidet bei der Sicherheit daher am besten ab.
Die Lebensdauer von Solid-State Batterien wird vor allem durch die mechanischen Belastungen durch Volumenänderungen beim Laden und Entladen limitiert. Daraus resultierende Folgeschäden sind instabile Schnittstellenverbindungen zwischen den Elektroden und dem Elektrolyt. Es ist zwar zu erwarten, dass flüssiges Elektrolyt schneller altert als dies bei festem Elektrolyt der Fall ist, aufgrund der Stabilitätsprobleme der Solid-State Batterien ist dennoch nicht zu erwarten, dass Solid-State Batterien eine höhere Lebensdauer aufweisen als Li-Ionen-Zellen. (Mehr dazu im Artikel hier analysiert). LFP als Kathode begünstigt die Lebensdauer der Zelle und es konnten in Untersuchungen für LFP-Solid-State Batterien bereits über 4000 Zyklen erreicht werden[6].
Aus Kostenperspektive fällt vor allem die NMC-Solid-State-Batterie im Vergleich zu den anderen zurück, insbesondere weil bei sulfidbasierten Elektrolyten die Kommerzialisierung noch nicht so weit voran geschritten ist. Der erhöhte Bedarf an Lithium für die Metallanoden der Solid-State Batterien dürfte ebenfalls den Preis treiben. Deshalb ist zu erwarten, dass etablierte Materialkombinationen mit nur wenig knappen Rohstoffen am günstigsten sein werden.
Fazit
In vielen Vergleichen wird die heutige Li-Batterie mit einer künftigen Solid-State Batterie verglichen, wie sie in einigen Jahren auf den Markt kommen wird. Dieser Vergleich ist irreführend, weil die Entwicklung von Li-Ionen-Batterien voranschreitet und mit neuen Innovationen wie der Zugabe von Silizium in die Anode deutlich verbesserte Eigenschaften erwartet werden.
Vergleicht man, wie sich beide Elektrolyttypen - flüssig und fest –in der zweiten Hälfte der 2020er entwickeln werden, ergibt sich ein sehr ambivalentes Bild. Auf Basis heutiger Daten kommt man zu dem Schluss, dass keine der Technologien umfassend überzeugen kann. Aufgrund der Skalierungseffekte wird die Li-Ionen-Batterie noch lange günstiger bleiben als Solid-State-Batterien. Sowohl bei Sicherheit und Lebensdauer als auch der Energiedichte sorgt die mechanische Belastung durch Volumenänderung beim Laden und Entladen dazu, dass die Solid-State Batterie nicht überzeugen kann und noch nicht abzusehen ist, dass die mechanischen Probleme bis zur Serienreife komplett gelöst werden können. Lediglich bei der Energiedichte wird deutlich, dass Solid-State Batterien Li-Ionen Batterien hinter sich lassen werden und neue Bestwerte erreichen. Um Lithium-Ionen-Batterien zu verdrängen, ist dies aber voraussichtlich zu wenig.
Quellen
[1] Wood Mackenzie: Will semi-solid battery technology render solid-state batteries redundant?, https://www.woodmac.com/news/opinion/will-semi-solid-battery-technology-render-solid-state-batteries-redundant/
[2] IDTechEX: The State of the Li-Ion Industry, November 2022, Online Webinar, The State of the Li-ion Industry : IDTechEx Webinar
[3] Haregewoin, A., Wotango, A. et al.: Electrolyte additives for Lithium ion battery electrodes: progress and perspectives, 2017 Energy & Environmental Science
[4] Quantumscape: Delivering on the promise of solid-state technology, 2023, https://www.quantumscape.com/technology
[5] Moyassari, E., Streck, L. et al.: Impact of Silicon Content within Silicon-Graphite Anodes on Performance and Li Concentration Profiles of Li-Ion Cells using Neutron Depth Profiling, 2021, Journal of The Electrochemical Society
[6] Fraunhofer Institute for Systems and Innovation Research ISI: Solid-State Battery Roadmap 2035+, Karlsruhe, 2022
[7] Blue-Solutions: Battery Technology, 2023, https://www.blue-solutions.com/en/battery-technology/)
[8] Mercedes Benz: eCitaro, Battery Technology, 2023, https://www.mercedes-benz-bus.com/de_DE/models/ecitaro/technology/battery-technology.html
[9] HardingEnergy: Lithium Iron Phosphat, Harding Energy | Lithium Ion batteries | Lithium Polymer | Lithium Iron Phosphate, Stand: 01/2023