Solid-State Firmen sind seit Jahren in der Öffentlichkeit präsent und berichten im Detail von ihrem aktuellen Stand der Entwicklung. Es ist aber schwer, neue Konzepte zu bewerten, wenn man keinen Überblick über den Gesamtmarkt hat. In einer Datenanalyse wurden alle öffentlich zugänglichen Informationen über die Solid-State Industrie zusammengetragen und die Daten im Detail analysiert. Die wichtigsten 5 Take-Aways werden hier vorgestellt.
Wer etwas über die neueste Batterietechnologie eines Solid-State Herstellers herausfinden will, wird in der Regel auf der Webseite der entsprechenden Firma fündig. Doch sollte man nicht erwarten, dass man dort alle Informationen findet, die man sucht. Jeder Hersteller präsentiert hier in der Regel nur die Daten, mit denen er sich von der Konkurrenz abhebt. Wichtige Daten fehlen häufig. Wer hier einen besseren Überblick erhalten möchte, muss weiter recherchieren. Publikationen, angemeldete Patente, Interviews oder Konferenzen geben in der Regel einen tieferen Einblick.
All diese öffentlichen Daten wurden in einer Marktuntersuchung für dieses Portal zusammengetragen. Herausgekommen ist eine tiefgehende Analyse zum Stand der Solid-State Industrie 2024. Einen ersten Überblick über die Firmen und auf welche Technologiekombination sie setzen wurde bereits veröffentlicht (Der Artikel dazu findet sich hier analysiert). Der Datensatz wurde nun erweitert und noch umfassender analysiert. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden auf 5 Kernaussagen komprimiert, die im Folgenden vorgestellt werden:
Takeaway 1: Polymer, Oxide, Sulfide - Der Wettkampf um das beste Elektrolyt ist noch lange nicht entschieden!
Abbildung 1: Marktanteile der verschiedenen festen Elektrolyte. In die Kategorie SMD/Special fallen kleinformatige Zellen (z.B. im SMD-Format), die nicht für größere Energiespeicheranwendungen geeignet sind, Eigene Darstellung.
Für Solid-State Batterien stehen im Wesentlichen drei verschiedene Materialien als Elektrolyt zur Auswahl:
- Polymere
- Oxide
- und Sulfide
Bei Solid-State Batterien fungiert der Elektrolyt nicht nur als Leitmaterial, um die Bewegung der Ionen sicherzustellen. Zusätzlich übernimmt es auch gleichzeitig die Rolle des Separators.
Dabei gibt es aktuell noch keinen klaren Trend, welches Material den Markt dominieren wird. Stattdessen deuten die Ankündigungen der Hersteller darauf hin, dass alle drei Technologien am Markt präsent sein werden.
Betrachtet man den Markt 2024, zeigt sich aber ein anderes Bild: Großformatige Solid-State Zellen nutzen heute in der Regel Polymere. Sulfide und Oxide sind noch einige Jahre von der Marktreife entfernt, sodass diese heute noch keine Rolle spielen.
Takeaway 2: Andere Länder – andere Elektrolyten
Abbildung 2: Aufteilung der präferierten festen Elektrolyte nach Weltregion, Eigene Darstellung
Je nach Weltregion unterscheidet sich der präferierte Elektrolyt deutlich voneinander. In Amerika dominieren Polymer-Elektrolyten. Dort haben viele Start-Ups ihren Hauptsitz und eine potentiell schnellere Markteinführung ist für viele der Firmen ein großer Vorteil.
In Asien dagegen dominieren die Sulfide. Diese werden insbesondere von großen Unternehmen wie CATL, LG und Panasonic verfolgt. Die Markteinführung ist hier allgemein noch etwas weiter entfernt, aber die Firmen sind in der Regel finanziell gut ausgestattet, sodass höhere Investitionen in die Technologie möglich sind.
In Europa dominieren die Oxide und werden von Ilika und LionVolt weiterentwickelt. Der europäische Markt ist aber sehr klein, sodass statistische Aussagen nicht signifikant sind.
Takeaway 3: Solid-State Zellen werden Lithium-Ionen Zellen weit überlegen sein – falls die Hersteller ihre Versprechen halten
Abbildung 3:Angekündigte Energiedichten unterschiedlicher Zellchemien. Die Daten für Solid-State Zellen basieren bisher nur auf Ankündigungen und sind daher nur gestrichelt eingezeichnet, Eigene Darstellung.
Die Daten, die die Solid-State Hersteller bisher zu ihren Zellen veröffentlicht haben, zeigen ganz klar: Solid-State Batterien werden deutlich höhere Energiedichten als Lithium-Ionen Batterien erreichen. Dies gilt sowohl für die volumetrische als auch die gravimetrische (massebezogene) Energiedichte. Das heißt: Die Zellen werden leichter und kleiner.
Die Daten zeigen aber auch, dass es sich mehr um eine Evolution als um eine Revolution der Energiedichte handelt. Die Energiedichte ist 20-30 % höher als bei heutigen Zellen, eine Verdopplung der Energiedichte ist aber nicht zu erwarten. Außerdem ist noch nicht klar, wie die Zellen später zu einem Modul oder System verschaltet werden können. Sehr viele Solid-State Batterievarianten müssen aufwendig verpresst werden, sodass eventuell Zusatzteile nötig sind, die das Gewicht und das Volumen erhöhen, sodass die tatsächlichen Energiedichtevorteile nochmal kleiner ausfallen könnten.
Takeaway 4: Wer viel Erfahrung hat setzt (tendenziell) auf Semi-Solid-State
Abbildung 4: Vergleich, welche Firmen auf ausschließlich feste Elektrolyte (All-Solid-State) setzen und welche kleine Anteile flüssiges Elektrolyt (Semi-Solid-State) beimischen, Eigene Darstellung.
Immer wieder gibt es Diskussionen, ob Semi-Solid-State Batterien überhaupt zu den Solid-State Batterien gehören, oder ob es nicht eher das Eingestehen des Scheiterns der eigenen Entwicklung ist, wenn man plötzlich auf Semi-Solid-State umsteigt. Um was geht es also in diesem Konflikt?
Gemein hin versteht man unter einer Solid-State Batterie eine Zelle, deren Elektrolyt komplett fest ist. Letztlich ist der Clou einer Solid-State Batterie, dass man den brennbaren flüssigen Elektrolyten durch einen festen (nicht brennbaren) Elektrolyten austauscht. Das ist zumindest die Theorie. In der Praxis hat sich herausgestellt, dass ein 100 % fester Elektrolyt teilweise gar nicht so einfach ist. Insbesondere bei Oxide Elektrolyt auf der Kathodenseite gibt es Schwierigkeiten mit der Kontaktierung, was dazu führt, dass die Innenwiderstände in der Zelle sehr hoch sind.
Die Lösung ist einfach: Man gibt auf der Kathodenseite eine kleine Menge flüssiges Elektrolyt hinzu. Selbst große Firmen wie QuantumScape haben inzwischen eingeräumt, dies für ihre Zellen so umzusetzen. Es können weiterhin sehr hohe Energiedichten erreicht werden und es wird zumindest davon ausgegangen, dass kleine flüssige Anteile die Sicherheit der Zelle nicht wesentlich beeinflussen. Solid-State Zellen mit Anteilen flüssigem Elektrolyt werden Semi-Solid-State Zellen genannt. Zellen die ausschließlich feste Bestandteile enthalten heißen All-Solid-State.
Von sehr vielen Firmen, die schon lange an der Technologie forschen, ist inzwischen bekannt, dass deren Zellen in die Kategorie der Semi-Solid-State Zellen fallen. Mit SolidPower oder BlueSolutions gibt es zwar auch größere Unternehmen, die ihren Fokus nach wie vor auf All-Solid-State legen – sie sind aber inzwischen eher in der Minderheit.
Takeaway 5: Die Solid-State Industrie ist ein Milliarden-Business und wird auch von großen OEMs vorangetrieben
Abbildung 5: Bewertung der Solid-State Unternehmen. Die Bewertung basiert entweder auf dem Aktienkurs im März 2024 oder aus dem bisher eingesammelten Kapital (Logarithmische Skalierung), Eigene Darstellung.
Die Solid-State Industrie ist ein Milliarden-Geschäft. QuantumScape hat dabei als erste Solid-State-Only Company bereits eine Milliarden-Bewertung erreicht. Firmen wie Prologium, BlueSolutions und SolidPower sind nicht weit von einer Milliarden-Bewertung entfernt. Selbst kleinere Unternehmen erreichen eine Bewertung von über 10 Millionen Dollar und verdeutlichen, welche Größe der Gesamtmarkt inzwischen erreicht hat. Insbesondere die Automobilindustrie unternimmt große Anstrengungen, die Entwicklung der Solid-State Batterien voran zu treiben und so gibt es kaum eine Solid-State Firma, die auf Partnerschaften mit den großen Auto-OEMs verzichtet.