Am Beginn der Kommerzialisierung: Firmenüberblick Factorial Energy
Factorial Energy mit Sitz in Woburn, Massuchusetts, gehören mit einem bisher gesammelten Kapital von 250 Mio $ zu den ganz großen Solid-State Batterie Start-Ups. Factorial Energy arbeitet dabei mit den OEMs Mercedes, Stellantis und Hyundai zusammen, um die Serienfertigung der Solid-State Batterien voranzubringen. Es ist ihnen dabei gelungen, als erste Firma eine Solid-State Batterie mit einer Kapazität von 100 Ah herzustellen und für diese auch die Zertifizierung UN 38.3 zu erhalten, die bestätigt, dass die Solid-State Zellen sicher transportiert werden können. Geschafft haben sie dies mit ihrem neuen Solid-State Elektrolyt Material auf Polymer-Basis FEST (Factorial Electrolyte System Technology) in Kombination mit einer Li-Metall-Anode (Siehe Abbildung 1). Bereits 2018 wurde der erste Prototyp der Zelle – damals mit einer Kapazität von gerade einmal 1.3 Ah – vorgestellt und in den nächsten Jahren optimiert und in der Größe skaliert. 2022 haben die Zellen dann bereits eine Größe von 20 Ah erreicht. Zuletzt wurde dann die 100 Ah-Zelle vorgestellt, mit welcher die Firma dann auch die Zertifizierung nach UN 38.3 erhalten hat.
Aktuell arbeitet Factorial am Aufbau einer Pilotfertigung ihrer Solid-State Batterien und baut dafür in Massachusetts einen Produktionsstandort auf. Es ist geplant, dass die Anlage bis Ende 2023 in Betrieb genommen werden kann.
Abbildung 1: Factorial FEST 100 Ah Batterie mit Polymerelektrolyt und Li-Metall-Anode, Bild Copyright bei Factorial Energy.
Interview mit Dr. Raimund Koerver, Director of Innovation bei Factorial Energy
Dr. Raimund Koerver ist Director of Innovation bei Factorial Energy und arbeitet dort seit Februar 2022. Bevor er zu Factorial Energy anfing, arbeitete er als Spezialist für Festkörperbatterien im Batteriezellen-Kompetenzzentrum von BMW in München. Er promovierte in physikalischer Chemie mit dem Schwerpunkt Sulfid-Festkörperbatterien an der Justus-Liebig-Universität in Gießen bei Prof. Jürgen Janek und hält mehrere Patente im Bereich fortschrittlicher Advanced Battery Technology.
Hallo Herr Dr. Koerver, Factorial Energy hat kürzlich bekannt gegeben, dass Ihre 100 Ah Solid-State-Batterie die Zertifizierung für den Versand gemäß UN 38.3 Sicherheitszertifizierung erhalten hat. Um diese Anforderungen zu erfüllen, müssen einige Tests durchgeführt werden, wie z.B. thermische Missbrauchstests, Überladungstests und Kurzschlusstests. War es eine große Herausforderung, diese Tests zu bestehen, oder ist die Batteriechemie automatisch so sicher, dass dies kein großes Problem darstellte?
Dr. Koerver: Die UN38.3-Zertifizierung ist der Standard für herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien, aber je höher die Energiedichte der Zelle ist, desto schwieriger ist es diese Tests zu bestehen. Factorial ist führend in der Entwicklung von Batterien der nächsten Generation. Unsere Zellen kombinieren hohe Energiedichte mit hoher Sicherheit. Die Tatsache, dass kein anderer SSB-Hersteller öffentlich bekannt gegeben hat, dass diese Tests mit einer so großformatigen Zelle bestanden wurden, ist ein Hinweis auf die Herausforderungen, die bei der Entwicklung und dem Scale-up von Technologien der nächsten Generation auftreten können.
Worin sehen Sie den größten Vorteil im Vergleich zu Lithium-Ionen-Batterien?
Dr. Koerver: Künftige Elektrofahrzeuge werden Batterien mit noch höherer Energiedichte benötigen. Herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien werden diese Anforderungen möglicherweise nicht erfüllen können, zumal ihre Energiedichte durch die Graphitanode begrenzt ist. Hinzu kommen Sicherheitsbedenken für solche Hochenergiesysteme, da der flüssige, organische Elektrolyt potenziell entflammbar ist. Wenn ein Festelektrolyt die brennbaren organischen Komponenten ersetzt, wird die Sicherheit der Zellen verbessert. Darüber hinaus ermöglichen Festelektrolyte die Verwendung von Lithium-Metall als Anodenmaterial. Da Lithium leicht ist und die negativste Spannung hat, ist es das ideale Elektrodenmaterial, um die Energiedichte solcher Batterien über die der heutigen Technologie hinaus zu verbessern.
In welchen Anwendungsbereichen wird eine Batterie mit flüssigem Elektrolyt der Festkörperbatterie in Zukunft noch überlegen sein? Wo sehen Sie mögliche Anwendungen?
Dr. Koerver: Es wäre besser, die gesamte Zellchemie im Detail zu betrachten, um ein Gesamtbild zu erhalten, als eine einzelne Komponente für sich allein zu identifizieren. Batterien werden nicht nach der Art ihres Elektrolyten bewertet, sondern nach Kennzahlen wie Energie, Sicherheit und Kosten. Die so genannten herkömmlichen Elektrolyte auf Karbonatbasis gelten jedoch im Allgemeinen als leichter entflammbar. Dies verschafft den Festkörperbatterien einen Vorteil, insbesondere bei Anwendungen, die in der Nähe von Menschen betrieben werden und daher ein Höchstmaß an Sicherheit bieten müssen.
Sie verwenden Ihr FEST Factorial Electrolyte System Technology System, eine Festkörperbatterie auf Polymerbasis. Funktioniert das System bei Umgebungstemperatur? Wie kompensieren Sie die Cell swelling (Volumenänderung der Zelle) auf Zell-/Modulebene?
Dr. Koerver: Das ist richtig und muss betont werden. Viele Festkörper-Technologien auf Polymerbasis benötigen hohe Temperaturen, um eine wettbewerbsfähige Leistung zu erbringen. Die Technologie von Factorial unterscheidet sich dadurch, dass die Zelle bei Raumtemperatur voll funktionsfähig ist, was ihre Effizienz deutlich erhöht. Unsere Zellchemie ist jedoch auch robust gegenüber hohen Temperaturen, was für Lithium-Ionen-Batterien normalerweise eine Herausforderung darstellt.
Unsere Technologie verwendet Lithium-Metall als Anode, das sein Volumen während des Betriebs tatsächlich ändert. Während des Ladevorgangs wird das Lithium eingelagert (Ausdehnung) und während der Entladung entfernt (Schrumpfung), was der normale Betrieb eines solchen Systems ist. Aus diesem Grund beschränkt sich Factorial nicht nur auf die Zellebene, sondern hat auch Know-how auf Modul- und Pack-Ebene angesammelt, um OEMs bei der Integration unserer Technologie zu unterstützen und effiziente Kompensationsanlagen für unsere Zellen zu entwickeln. Die Tatsache, dass wir eine auf Polymeren basierende Elektrolyttechnologie verwenden, hilft in diesem Fall, da sie unseren Zellen genügend Flexibilität verleiht.
Factorial Energy hat im März angekündigt, in München eine Niederlassung eröffnen zu wollen. Wird das Unternehmen an diesem Standort eigene Entwicklung und Forschung betreiben, bzw. welche Ziele verfolgt Factorial mit diesem Standort?
Dr. Koerver: Im Moment ist der Hauptgrund für die Präsenz von Factorial in Deutschland die Nähe zu unseren europäischen Partnern, was dem Unternehmen helfen wird, weiterhin strategische Beziehungen aufzubauen und eng mit wichtigen europäischen Lieferanten und Produktionspartnern zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus bietet diese Expansion Zugang zu den fortschrittlichen Fachkenntnissen der Region im Bereich der Automobilindustrie sowie zu renommierten Universitäten und Institutionen für den künftigen Aufbau von Teams zur Unterstützung der Kundenvalidierung und -prüfung.
Was sind die nächsten Schritte auf der Roadmap von factorial energy?
Dr. Koerver: Factorial arbeitet weiterhin eng mit unseren Entwicklungspartnern aus der Automobilindustrie zusammen, um die Technologie auf den Markt zu bringen. Ein wichtiger Schritt dabei ist der Start unserer Großzellenproduktion, die wir weiter hochfahren werden. Nachdem wir den Meilenstein der Sicherheitsprüfung nach UN 38.3 erfolgreich erreicht haben, planen wir, unsere 100+Ah-Zellen zur Validierung an Kunden zu versenden.
Wie wird sich die Technologie der Festkörperbatterien in den nächsten 10 Jahren entwickeln? Wie fortschrittlich werden Festkörperbatterien bis dahin sein, und wie dominant werden sie auf dem Markt sein? Wo sieht sich Factorial Energy in 10 Jahren?
Dr. Koerver: Wir gehen davon aus, dass Solid-State-Batteries (SSBs) im nächsten Jahrzehnt erhebliche Fortschritte machen werden. In der Anfangsphase erwarten wir, dass SSBs die Kommerzialisierungsphase durchlaufen, in der sie von den Erstausrüstern in Fahrzeugdesigns integriert und bewertet werden. Das Erreichen der Kostenparität mit den etablierten Batterietechnologien wird ein entscheidender Meilenstein sein und wir erwarten, dass dies zu einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage nach Festkörperbatterien führen wird.
Was die Technologie betrifft, so sieht Factorial Energy ein immenses Innovationspotenzial für Festkörperbatterien. Wir sind bestrebt, unsere Technologie kontinuierlich zu optimieren und zu verbessern, wobei wir berücksichtigen, dass SSBs im Vergleich zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien, die über mehrere Jahrzehnte hinweg weiterentwickelt wurden, noch relativ neu sind. Darüber hinaus rechnen wir mit einer Ausweitung der SSB-Anwendungen über den Automobilsektor hinaus, wobei sich angrenzende Märkte wie die Luftfahrt und Nutzfahrzeuge schnell anpassen werden.
Was die Vision von Factorial für die nächsten zehn Jahre betrifft, so streben wir danach, ein führender Akteur im Bereich der Festkörperbatterien zu werden. Zu unseren Zielen gehört die Errichtung einer oder mehrerer Gigafactories mit hohen Produktionskapazitäten, um unsere Partner effizient zu bedienen. Darüber hinaus sind wir bestrebt, eine Unternehmenskultur zu fördern, die nicht nur hochkarätige Talente anzieht, sondern auch Menschen mit Integrität und einem gemeinsamen Ziel. Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter stolz darauf sind, hier zu arbeiten, einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten und Spaß zu haben.
Vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen sind hier zu finden: https://factorialenergy.com/