Höhere Ladegeschwindigkeiten bei Lithium-Batterien führen in der Regel zu einer beschleunigten Alterung. Pulse-Charging verspricht mit sehr hohen Ladegeschwindigkeiten trotzdem eine hohe Lebensdauer zu erreichen. Ob dieses Versprechen realistisch ist und wie das Start-Up BAVERTIS dieses Verfahren in die Praxis umsetzen möchte, wird in diesem Artikel vorgestellt.
Ein Tesla Model 3 kann an der Schnellladesäule in 15 min bis zu 275 km nachladen. Ein BMW i4 lädt in 10 min bis zu 164 km nach. Der Porsche Taycan lädt in 22 min auf 80 %. Schnellladen ist für Elektroautos längst nichts Neues mehr. Schnellladen hat aber nicht nur Vorteile: Natürlich hilft es auf Langstrecken enorm, die Lebensdauer wird durch häufiges Schnellladen aber erheblich reduziert. Aber geht es nicht noch schneller? Vielleicht! Pulse-Charging ist ein alternatives Ladeverfahren, mit welchem es möglich sein soll, schneller Schnellzuladen ohne dass die Batterie vorzeitig altert.
Wie werden Batterien heutzutage geladen?

Das am meisten genutzte Ladeverfahren heutzutage ist das CCCV-Charging. CCCV steht dabei für Constant Charging – Constant Voltage. Das Ladeverfahren ist dabei zweigeteilt. Im ersten Abschnitt wird mit einem konstanten Strom so lange geladen, bis die obere Spannungsgrenze erreicht ist. Im zweiten Abschnitt wird dann die Spannung konstant gehalten und der Strom reduziert. Gegen Ende des Ladezyklus wird dadurch immer weniger Leistung übertragen. Deshalb dauert das Laden der letzten 20 % des Ladevorgangs deutlich länger. Die Reduzierung des Stroms ist allerdings notwendig, um ein Überladen der Batterie zu verhindern. Je nachdem, wie schnell geladen wird, wird der CV-Teil früher oder später erreicht. Beim Schnellladen ist der Ladestrom bereits zu Beginn sehr hoch und die CV-Phase wird früher erreicht.
In der Praxis ist es allerdings so, dass nur selten ideal mit CCCV geladen werden kann. Stattdessen müssen weitere Betriebsbedingungen wie die Zelltemperatur mit beachtet werden. Dafür ist das BMS (Battery Management System) zuständig. Es überwacht den Ladevorgang jeder einzelnen Zelle und kommuniziert mit dem Ladegerät, welche Ladeströme gerade möglich sind.
Wer sich interessiert, wie dann ein Ladeverfahren in der Praxis ausschaut: Nextmove hat vor einigen Jahren für ein Tesla Model 3 SR+ Messungen an einem IONITY Schnelllader und einer 11 kW Wallbox (CCCV) durchgeführt. Die CCCV-Ladekurve ist hier insbesondere für die 11 kW-Ladung gut erkennbar.
Was passiert beim Pulse-Charging?
Beim Pulse-Charging werden kurze rechteckige Stromimpulse mit sehr hoher Amplitude auf die Zelle appliziert. Zwischen den Pulsen wird eine Pause gemacht. Die Länge der Pausen und Pulse ist dann jeweils von der genauen Anwendung abhängig, ist aber häufig <1s. In der Abbildung links ist zur besseren Visualisierung eine längere Pulsdauer gewählt.
Damit die Batterie mit Pulse-Charging genauso schnell (oder schneller) geladen werden kann als mit dem konventionellen CCCV-Charging muss der Puls-Strom entsprechend deutlich größer sein. Statt mit 10 A beim CCCV wird dann zum Beispiel mit 20 A Puls geladen.

Wieso braucht man Pulse-Charging?
Das heutige Ladeverfahren ist nicht gut geeignet, um eine Batterie schnell aufzuladen. Hohe konstante Ladeströme, wie sie beim CCCV-Laden vorkommen führen zu einer vorzeitigen Alterung der Zelle.
Um zu verstehen, warum das so ist, muss man tief in die Batteriechemie eintauchen. Was beim Laden einer Batterie auf chemischer Ebene passiert, wurde bereits hier analysiert.
Zusammengefasst kann man sagen, dass es beim CCCV-Schnellladen zu Li+ Konzentrationsverarmung an der Anode kommt. Das heißt, es gibt zu wenig Lithium-Ionen sodass lokale Überspannungen entstehen. Dadurch kommt es zu Zersetzungsreaktionen des Lösungsmittels . Die Zersetzungsprodukte lagern sich dabei als unerwünschte Ablagerungen auf der Oberfläche des Aktivmaterials ab (Verdickung der SEI-Schicht) und erhöhen den Innenwiderstand der Zelle. Außerdem wird Lithium-Plating begünstigt. Hierbei handelt es sich um eine unerwünschte Neben-Reaktion bei welcher Lithium-Ionen sich auf der Oberseite der Anode absetzen und dort dauerhaft verbleiben. Dies reduziert die verfügbare Lithium-Menge und dadurch auch die Kapazität der Zelle.
Beim Pulse Charging sorgen die regelmäßigen Pausen, die zwischen den Pulsen gemacht werden, dafür, dass sich die Li-ionen Verarmungsschichte reduzieren können und lokale Konzentrationsgefälle ausgeglichen werden. Dadurch werden Überspannungen vermieden und parasitäre Reaktionen vermindert.
Es ist sogar möglich, anstelle der Pause einen Entladepuls anzulegen. Dadurch sollen die Konzentrationsgefälle noch schneller korrigiert werden. Außerdem soll Lithium-Plating damit teilweise sogar rückgängig gemacht werden können, sodass eine höhere Lebensdauer der Zelle erreicht wird.

Wo liegen die Herausforderungen beim Puls-Charging?
Momentan befindet sich das Pulse-Charging noch in einer frühen Phase der Entwicklung. Forschungen dazu haben gerade erst begonnen. Folgende Herausforderungen sind noch zu lösen:
- Die bisher wenigen Forschungsergebnisse die es gibt sind nicht konsistent. Während einige Studien eine deutliche Verbesserung der Schnellladeeigenschaften nachweisen konnten, konnten andere Studien keine Vorteile erkennen.
- Studien zum Pulse Charging sind sehr aufwendig: Pulse-Charging benötigt Ladegeräte, die hochfrequente Ladepulse anlegen können. Außerdem werden extrem hohe Stromstärken benötigt. Sehr viele einfache Testgeräte verfügen aber nicht über diese Funktion. Für eine Untersuchung des Alterungsverhaltens müssen die Zellen außerdem mehrere tausend Mal geladen und entladen werden. Das ist sehr teuer und zeitaufwendig
- Pulse-Charging nutzt Pulse mit einer deutlich höheren Stromstärke als bei CCCV-Ladeverfahren. Viele Zellhersteller haben ihre Zellen für diese hohen Ströme aber gar nicht zugelassen. Die Zellen müssen somit aufwendig nachqualifiziert werden, was den Entwicklungszyklus verlängert.
Aufgrund des Ohmschen Gesetzes kommt es zu einer stärkeren Selbsterwärmung. Je stärker der Puls, desto höher fällt dieser aus.
Wie Firmen Pulse Charging umsetzen wollen (Feat. BAVERTIS)
Die Anzahl an Firmen, die an der Kommerzialisierung von Pulse Charging arbeiten ist aktuell noch recht überschaubar. Eine der Firmen ist das Start-Up BAVERTIS mit Sitz in München.
BAVERTIS verfolgt einen neuen Ansatz, wie man Batteriemodule aufbauen kann. Anstelle fester Batteriemodule mit z.B. 14 Zellen in Reihe und 8 Zellen parallel, wird jede Zelle über zwei eigene MOSFET-Transistoren angeschlossen, sodass jede Zelle einzeln schaltbar wird. Die Zellen werden dann im Betrieb in Echtzeit so zusammengeschalten, wie sie wirklich gebraucht werden.
Durch dieses Schaltungskonzept ist es dann auch möglich, die Zellen über Pulse Charging zu laden. Eine komplexe Ladeinfrastruktur ist mit dem Konzept dann nicht nötig, da dies dann alles On-board geregelt wird. Bavertis geht momentan davon aus, dass sie mit diesem Ladeverfahren kombiniert mit einem indiviuellen Lastprofil für jede Zelle die Lebensdauer der Zellen um 80 % erhöhen können.
Das Konzept sieht dabei vor, dass von jeder Zelle ein digitaler Zwilling erschaffen werden soll, der online in einer Cloud simuliert wird. Es wird dann genau berechnet, wie das Lade-/Entladeprofil der einzelnen Batteriezellen aussehen muss. Hierbei gibt es einige Freiheitsgrade wie die Frequenz, die On- und Offtime etc.

Ihr Konzept hat die Firma bereits in einem Versuchsfahrzeug vor 2,5 Jahren validiert. Das 10 kW-System arbeitet mit bis zu 96 V. Aktuell laufen bei Bavertis Untersuchungen, mit welchen Pulsfrequenzen die beste Lebensdauer erreicht werden kann.
Zunächst soll das Konzept für Sondermaschinenfahrzeuge zum Einsatz kommen, später soll das System Flugzeuge und dann auch für die Automotive-Industrie zum Einsatz kommen. Mit einem Einsatz im Automotive Bereich ist aufgrund der langen Produktzyklen aber nicht vor 2032 zu rechnen.
Danke an BAVERTIS und Dr. Manuel Kuder sowie Dr. Katarina Cicvaric für die Unterstützung bei der Erstellung dieses Artikels.
Weitere Informationen zu BAVERTIS:
- Youtube: https://bitly.cx/XXAu2
- Webseite: https://bavertis.com/