Schließt man eine Lampe an eine Lithium-Batterie an, so fließt Strom und die Lampe fängt an zu leuchten. Doch warum passiert das eigentlich? Wieso sinkt die Spannung, wenn sich die Batterie entleert? Was hat das mit der Konzentration von Li-Ionen zu tun? Wieso hat die Art der Elektrode einen Einfluss auf die Kapazität der Zelle? Dieser Artikel liefert antworten.
Lithium-basierte Zellen -ob Solid-State Batterie oder konventionelle Li-Ionen-Batterie- sind grundsätzlich ähnlich aufgebaut. Es gibt zwei Elektroden (positiv und negativ) zwischen denen sich ein Separator befindet. Beim Laden wandern Ionen von der positiven Seite (Kathode) zur negativen Seite (Anode) und beim Entladen wandern die Ionen wieder zurück. Weil der Separator für Elektronen undurchlässig ist, wandern die Elektronen stattdessen über einen angeschlossenen Verbraucher z.B. eine Lampe und bringen diese zum Leuchten (Mehr zum Aufbau von Solid-State Batterien finden sich hier analysiert).
Mit dieser Beschreibung lässt sich erklären, wieso im Verbraucher ein Strom fließt, aber es reicht nicht aus, um zu verstehen, woher diese Energie stammt. Dafür ist es nötig, tiefer in die Funktionsweise der Zelle einzutauchen.
Spannungsfenster von Batterien
Zunächst soll daher geklärt werden, wieso überhaupt eine Spannung zwischen dem Plus- und Minuspol messbar ist. Das Spannungsfenster von Lithium-basierten Batterien wird durch die Teilreaktionen an Anode und Kathode definiert und hängt entsprechend von den dort ablaufenden Reaktionen ab. Die Spannung, die an einer Batterie an deren Pole gemessen werden kann, ist letztlich die Differenz der Spannung, welche an den jeweiligen Elektroden erzeugt wird:
Die Spannung an Anode und Kathode ist dabei jeweils kein fester Wert, sondern hängt ab vom Ladezustand der Zelle. In der Literatur sind für die Elektroden jedoch häufig feste Werte angegeben (z.B. 3.9 V für LCO, vgl. [1]). Diese entsprechen in der Regel der mittleren Spannung.
In Abbildung 1 ist dargestellt, wie sich aus dem Anoden- und Kathodenpotential (dargestellt an der Beispielzelle LCO|Graphit) die resultierende Zellspannung ergibt. Auf der x-Achse ist angegeben, wie viel Lithium anteilig in den Elektroden gebunden ist. Bei einer (idealen) vollen Batterie ist x=1, bei einer leeren Batterie x=0.

Abbildung 1: Spannung einer LCO|Graphit-Zelle aufgeteilt in Anoden- und Kathodenpotential. Aus der Kathode werden typischerweise nur 70 % der Li-Ionen entnommen (gestrichelte Linie) Materialienwahl für Solid-State Batterien untypisch, aber prinzipiell möglich, Eigene Darstellung nach [2]
Die messbare Spannung am Plus- und Minuspol der Batterie entsteht durch die chemischen Reaktionen, die das Lithium mit den Elektroden eingeht. Dies soll am Beispiel einer LCO-Kathode näher erklärt werden. In Abbildung 2 ist der Entladeprozess einer LCO|Graphitzelle dargestellt. Es handelt sich um eine Lithium-Ionen-Zelle mit flüssigem Elektrolyt. Der Aufbau ist prinzipiell auch mit Solid-State Batterien möglich, wenngleich LCO und reines Graphit als Elektrodenmaterialien untypisch sind und stattdessen eher Weiterentwicklungen dieser Materialien (z.B. Silizium-Graphit als Anode und NMC811 als Kathode) verwendet werden.

Abbildung 2: Entladereaktion einer Lithium-Ionen Batterie mit flüssigem Elektrolyt. Die Spannung entsteht durch den Einlager- und Auslagerprozess der Li-Ionen aus Anode und Kathode. Dargestellte Reaktionen gelten auch für Solid-State Batterien, wenngleich die Materialwahl hier untypisch ist, Eigene Abbildung.
Beim Entladen wandern die Li-Ionen von der Anode zur Kathode. LCO ist eine Kathode mit schichtartigem Aufbau. Das Lithium lagert sich beim Entladen zwischen den Kobaltoxid-Schichten ein. Die Reaktionsgleichung des Lithiums mit dem Kobaltoxid lautet folgendermaßen:
Die extern messbare Spannung entsteht aufgrund der Einlagerungsreaktion des Lithiums in die einzelnen Schichten des Schichtoxids und der Energie, die in diesem exothermen Prozess freigegeben wird. Mit Hilfe der sogenannten Nernst-Gleichung kann mit Hilfe der Stoffkonzentrationen in der Zelle die resultierende Spannung einer Halbzelle berechnet werden:
mit
U0,red: Elektrodenpotential (kann aus den Tabellen der elektrochemischen Spannungsreihe herausgelesen werden)
R: Universelle Gaskonstante
T: Temperatur (in Kelvin)
ze: Anzahl der übertragenen Elektronen (Lithium besitzt nur ein Valenzelektron, daher hier 1)
F: Faraday-Konstante
αRed , αOx: Konzentrationen der jeweiligen Redoxreaktionsteilnehmer
Die Konzentration der Redoxreaktionsteilnehmer verändert sich mit dem Ladezustand der Elektrode. Die resultierende Spannung einer Elektrode hängt somit im Wesentlichen vom Elektrodenpotential ab, welches um die Temperatur und den Ladezustand korrigiert wird. Es ist zu beachten, dass in einer Batterie auch einige Nebenreaktionen ablaufen, die ebenfalls einen Einfluss auf die resultierende Spannung haben, sodass die oben stehende Gleichung nur als erste Näherung anzuwenden ist.
Aufgrund der starken Abhängigkeit der Nernst-Gleichung vom Elektrodenpotential, wird versucht, Elemente zu wählen, die hier möglichst hohe Werte aufweisen (siehe Abbildung 3). Elemente, die im Periodensystem weiter rechts stehen, erreichen hier höhere Kennzahlen, weil der Ionenradius der Elemente sinkt und die Elektronen stärker vom Kern angezogen werden. Die stärkeren Kernkräfte resultieren dann in einem höheren Elektrodenpotential.
Mit diesem Zusammenhang lässt sich auch erklären, wieso so gerne LCO (LixCoO2) und NMC811 als Kathodenmaterial verwendet wird. Innerhalb der Übergangsmetalle stellen diese die Verbindungen mit den höchsten Halbzellenspannungen dar (siehe Abbildung 3) [4].

Abbildung 3: Elektronegativität innerhalb der Übergangsmetalle, teilweise eigene Darstellung
Begrenzungen des Spannungsfensters
Der erlaubte Spannungsbereich einer Zelle wird nicht nur von den Elektroden beeinflusst. Die erzielbare Spannung wird begrenzt vom elektrochemischen Fenster des eingesetzten Elektrolyten. Insbesondere flüssige Elektrolyte kommen nicht mit einer Zellspannung über 4,5 V klar, da es zu parasitären Reaktionen der Kathode mit dem Elektrolyt kommt und dazu führt, dass sich der Elektrolyt langsam zersetzt [5]. Solid-State Batterien könnten mittelfristig in der Lage sein, diese Begrenzung aufzubrechen. Oxidbasierte Elektrolyten verfügen beispielweise über ein besonders weites Spannungsfenster und auch Sulfidbasierte Elektrolyten könnten mit zusätzlichen Schutzschichten in der Lage sein, höhere Spannungen zu tolerieren [6].
Eine zweite wichtige Begrenzung des Spannungsfensters liegt darin, dass es in der Regel nicht möglich ist, das komplette physikalische Spannungsfenster der Batterie zu nutzen. Bei der LCO-Kathode ist es nicht möglich, mehr als 70 % des Lithiums aus den Kobaltschichten herauszulösen, da dies die mechanische Struktur der Kathode schwächen würde, was zu einer beschleunigten Alterung führen würde. Die Spannung ist für LCO-Zellen deshalb auf 4.2 V gegenüber Li/Li+ begrenzt [7]. Auch auf der Anodenseite ist es in der Regel nicht möglich alle Lithiumionen zu entnehmen, sodass auch hier ein Teil zurückbleibt und die maximal erreichbare Kapazität so reduziert.
Bestimmung der Kapazität der Batterie
Damit eine Zelle die maximale Kapazität liefern kann, muss die Anode und die Kathode so dimensioniert sein, dass beim Ladevorgang alle Li-Ionen, die aus der Kathode austreten, auch einen Platz in der Anodenstruktur zum Einlagern finden. Das Verhältnis der Größe der Anode zur Größe der Kathode wird als N/P-Verhältnis bezeichnet, wobei N der Masseanteil der Anode und P den Masseanteil der Kathode beschreibt. Da für jedes Li-Ion aus der Kathode auch ein Platz in der Anode sein muss, ist das Größenverhältnis N/P≈1. Lithium-Ionen fällt es allerdings schwer, immer einen Platz in der Anode zu finden. Stattdessen neigen die Li-Ionen dazu, sich insbesondere beim Schnellladen auf der Anode abzulagern (Li-Plating), weil sie auf die schnelle keine freien Plätze in der Anodenstruktur finden[8]. Da Li-Plating eines der Hauptschädigungsmechanismen von Zellen ist, wird der Anteil der Anode etwas erhöht (N/P≈1.04-1.2) [9], damit die Ionen nicht so lange suchen müssen, um einen freien Platz zu finden.

Abbildung 4: Vorgehen zur Berechnung der theoretischen Kapazität der Kathodenmaterialien, eigene Darstellung
Die Kapazität der jeweiligen Aktivmaterialien wird in der Regel in Ah⁄kg angegeben und kann berechnet werden (siehe Berechnungsschema Abbildung 4). Für die Berechnung wird nur das Aktivmaterial betrachtet. Chemische Hilfsmittel, Kontaktierflächen, Schutzschichten etc. werden in der Berechnung der theoretischen Kapazität der Elektroden ignoriert. Zur Berechnung wird zunächst das Gewicht des Elektrodenmaterials in kg⁄molermittelt. Der Wert kann hier entweder mit Hilfe der molaren Massen berechnet werden, oder aus Tabellen entnommen werden. Für LCO ergibt sich eine spezifische Masse von 0.09788 kg⁄mol . In einem zweiten Schritt kann man dann mit Hilfe der Avogadro-Konstante berechnen, wie viel Moleküle sich in einem kg des Elektrodenmaterials befinden (Für LCO sind das 6.15*1024 Atome pro Kilogramm).
Lithium besitzt als Alkalimetall (Element der ersten Hauptgruppe) nur ein Elektron, das an einer chemischen Reaktion teilnehmen kann. Jedes Elektron besitzt eine negative Elementarladung von e–Die Elementarladung eines Lithiumatoms ist entsprechend e–.
Zur Berechnung der Kapazität muss nun berücksichtigt werden, dass für jedes Li-Ion ein Elektron beim Entladen über den angeschlossenen Verbraucher läuft. Die Kapazität ist daher das Produkt aus der Ladungsmenge, die ein Atom trägt multipliziert mit der Anzahl der Atome. Für LCO ergibt sich entsprechend eine Kapazität von 274 Ah⁄kg. Auf dem gleichen Weg kann die Kapazität anderer Kathodenmaterialien und auch von Anodenmaterialien berechnet werden. In Abbildung 5 sind die berechneten theoretischen Energiedichten für die wichtigsten Kathodenmaterialien aufgelistet.

Abbildung 5: Theoretische Berechnung der Kathodenkapazität
Die berechneten Werte stellen die theoretisch erreichbaren Energiedichten dar, sind aber in der Regel nicht sonderlich praxisnah. Bei LCO kann beispielsweise im Ladevorgang nur ein Teil des Lithiums entnommen werden, sodass die theoretische Kapazität nicht voll ausgenutzt wird und in der Praxis deutlich niedrigere Werte erreicht werden. Dennoch liefern die berechneten Zahlen einen guten Indikator, um verschiedene Aktivmaterialien miteinander zu vergleichen.
Fazit
Die Antwort auf die Frage, woher eigentlich die Energie aus einer Li-Zelle herkommt ist somit geklärt: Ursächlich ist die Redoxreaktion, die in der Batterie beim Laden und Entladen mehr oder weniger reversibel abläuft. Durch den Aufbau der Zelle werden Elektronen beim Laden gezwungen, über das Ladegerät zur Anode zu wandern. Durch die daraus resultierende Ladungsverschiebung wandern die Li-Ionen ebenfalls in die Anode. Beim Entladen dreht sich der Prozess um und es fließt Strom über den angeschlossenen Verbraucher und Leistung wird übertragen. Die Spannung, die zu einem bestimmten Ladezustand von der Batterie erzeugt wird, kann mit der Nernstgleichung berechnet werden und hängt im Wesentlichen von der Konzentration der Li-Ionen an den Elektroden ab. Je mehr Li-Ionen auf die Kathodenseite wandern, desto höher wird deren Konzentration an der Kathode und die Zellspannung sinkt entsprechend.
Wieviel Energie eine Batterie liefern kann, hängt von der Kapazität der Batterie ab. Die Kapazität ist dabei eine materialspezifische Größe und kann über einfache Gleichungen direkt aus den Stoffdaten berechnet werden.
Alle berechneten Parameter stellen theoretische (Maximal-)werte dar, die in der Praxis nicht erreicht werden. Die Spannung wird vom Elektrolyten begrenzt, eine vollständige Ausnutzung der Kapazität würde die mechanische Stabilität der Kathode beeinträchtigen. Es wird auch immer etwas mehr Anodenmaterial verwendet, als unbedingt notwendig, um das parasitäre Ablagern von Lithium zu verhindern. Es ist das Ziel eines guten Design-Prozesses all diese Effekte abzuwägen, um eine praxistaugliche Zelle zu erhalten, die in der Lage ist, viele hundert Zyklen im automobile Einsatz zu überleben. Die beste Zelle ist immer ein Kompromiss.
Quellen
[1] Park, J: Principles and Applications of Lithium Secondary Batteries, Department of Chemical & Biomolecular Eng., Korea, 2012, S. 28
[2] Qnovo: The science behind why the battery vendors are hitting the wall, 2014, https://www.qnovo.com/blogs/why-battery-vendors-are-hitting-the-wall
[3] J. Goodenough, K. Park: „The Li-Ion Rechargeable Battery: A Perspective“, American Chemical Society, 2013
[4] Liu, C., et al.: “Understanding electrochemical potentials of cathode materials in rechargeable batteries”, Materials today, 2016
[5] Yang, L.; Ravdel, B. ;Lucht, B.: „Electrolyte Reactions with the Surface of High Voltage LiNi0.5Mn1.5O4 Cathodes for Lithium-Ion Batteries“, Electrochemical and Solid-State Letters, 2010
[6] Fraunhofer Institute for Systems and Innovation Research ISI: Solid-State Battery Roadmap 2035+, Karlsruhe, 2022
[7] Korthauer, Reiner : Handbuch Lithium-Ionen-Batterien, Frankfurt, 2013
[8] TYCORUN: A comprehensive guide to battery cathode and anode capacity design, 2022, https://www.tycorun.com/blogs/news/a-comprehensive-guide-to-battery-cathode-and-anode-capacity-design
[9] TYCORUN: Design anode to cathode ratio of lithium-ion battery, 2023, https://www.takomabattery.com/anode-to-cathode-ratio/
[10]: Park, J: Principles and Applications of Lithium Secondary Batteries, Department of Chemical & Biomolecular Eng., Korea, 2012, S. 28