Für die Untersuchung von Batterien sind zerstörungsfreie Messverfahren ein wichtiges Hilfsmittel, um Aussagen über den Zustand des Systems treffen zu können. Einer dieser Messverfahren ist die Impedanzspektroskopie. Diese basiert auf der Wechselstrom-Technik und ist für Lithium-Ionen-Batterien schon mehrere Jahrzehnte im Einsatz. Für Solid-State Batterien ist sie jedoch ein relativ neues Anwendungsgebiet. In diesem Artikel wird beschrieben, für welche Untersuchungen die Impedanzspektroskopie bei Solid-State Batterien eingesetzt wird, wie sie sich von den Messungen von Li-Ionen-Batterien unterscheidet und welche künftigen Einsatzmöglichkeiten für Solid-State Batterien denkbar sind.
Hinweis: In den ersten zwei Abschnitten dieses Artikels werden die allgemeinen Grundlagen der Impedanzspektroskopie und die zugehörige Modellbildung erklärt. Wer mit diesem Themenbereich bereits vertraut ist, kann zum dritten Abschnitt springen, in welchem dann die Besonderheiten der Impedanzspektroskopie speziell für Solid-State Batterien erläutert wird.
Grundlagen der Impedanzspektroskopie
Die Impedanzspektroskopie ist ein zerstörungsfreies Messverfahren, mit welchem man eine Batterie oder Teile einer Batterie (z.B. eine Halbzelle, also z.B. nur die Anode) untersuchen kann. In Abbildung 1 (a) ist das grundsätzliche Messprinzip dargestellt. Für die Messung wird die Zelle an ihren beiden Polen an ein Impedanzspektroskopie-Messgerät angeschlossen. Diese werden von verschiedenen Herstellern wie z.B. Biologic oder Gamry Instruments angeboten. Es gibt verschiedene Messvarianten, aber eines der Standardmessverfahren ist die Galvanostatische Impedanzspektroskopie. Bei dieser wird ein sinusförmiger Wechselstrom auf die Zelle aufgeprägt. Es wird dabei eine geringe Stromstärke eingestellt, da die Batterie nur dann in erster Näherung ein lineares Verhalten aufweist [1]. Der Wechselstrompuls führt dann zu einer phasenverschobenen Spannungsantwort. Das Verhalten folgt dabei den Grundlagengleichungen der Wechselstromlehre. Mit der Stromamplitude I0 ergibt sich folgendes Wechselstromzeitsignal:
Die Spannung der Zelle reagiert auf diese Anregung und entsprechend kann man folgendes phasenverschobene Wechselspannungszeitsignal messen:
Mit diesen Daten ist es nun möglich, den komplexen Widerstand (auch Impedanz genannt) zu berechnen, der sich aus dem ohmschen Gesetz ergibt (vgl. Abbildung 1b):
Die Frequenz des Wechselstroms kann dabei frei gewählt werden und liegt je nach Messgerät in der Regel im Kilo- bis Mikrohertz-Bereich. Meist werden in Untersuchungen viele Frequenzen gemessen, sodass sich ein ganzes Frequenzspektrum ergibt – dies erklärt auch den Namen der Impedanzspektroskopie. Dieses Impedanzspektrum wird dann häufig in einem sogenannten Nyquist-Diagramm dargestellt (Abbildung 1 (c)) und wird als Grundlage für Auswertungen herangezogen. Im Nyquist-Diagramm entspricht jeder Punkt einer bestimmten Frequenz. Der komplexe Widerstand wird aufgesplittet in dessen Real- und Imaginärteilen und auf der x- bzw. y-Achse aufgetragen.
Abbildung 1: (a): Messprinzip zur Messung der Galvanostatischen Impedanz; (b)Umwandeln der ermittelten Messwerte in Impedanz; (c) Darstellung der Messergebnisse im Nyquist-Plot, Eigene Darstellung
Elektrochemisches Ersatzschaltbild, physikalische Modelle und deren Auswertung
Die Auswertung der Nyquist-Plots ist in der Regel nicht ganz einfach und es gibt verschiedene Ansätze. Der einfachste Ansatz ist, die Impedanzverläufe mit Referenzmessungen zu vergleichen, um daraus Aussagen über die untersuchte Zelle zu treffen. Die Impedanz einer Zelle ist z.B. sehr sensitiv auf Temperaturschwankungen und verändert sich im typischen Einsatzbereich einer Batterie von -20°C bis +60°C über mehrere Größenordnungen. Vergleicht man nun den Impedanzverlauf mit einer Look-up-table kann man nun relativ einfach die Temperatur im Innern einer Zelle bestimmen (Darauf aufbauende Verfahren sind in der Literatur vielfach beschrieben z.B. von Richardson [2]). Der Vorteil dieser Herangehensweise ist, dass man in der Regel nicht genau über den chemischen Aufbau in einer Batterie Bescheid wissen muss, was die Implementierung erheblich erleichtert. Der Nachteil dieser Verfahren liegt in der Regel darin, dass die Genauigkeit der untersuchten Parameter nicht hoch ist, insbesondere dann, wenn Vorhersagen über Zustände getroffen werden, die nicht in der Look-up-table abgebildet sind.
Aus diesem Grund ist es ein weit verbreiteter Ansatz, basierend auf dem Impedanzverlauf der Zelle ein empirisches Ersatzschaltbild der Zelle zu entwickeln. Typischerweise setzt sich dieses dabei aus einer Kombination von passiven Elementen (also Widerständen, Kondensatoren und ggf. Spulen) zusammen. Beim empirischen Ansatz ist es üblich, sich das Modell so zusammenzubauen, dass das Ersatzschaltbild eine minimale Abweichung vom gemessenen Impedanzspektrum aufweist. Für das Zusammenbauen des gesamten Ersatzschaltbildes kann man sich an den Einzelelementen aus Abbildung 2 orientieren. Im Impedanzspektrum sind in der Regel Halbkreise zu finden, die mit Hilfe eines parallelen RC-Netzwerks und eines vorgeschalteten Ohmschen Widerstand repräsentiert werden können (Abbildung 2a). Finden sich mehrere Halbkreise im Impedanzspektrum, so kann dies mit mehreren RC-Gliedern umgesetzt werden (Abbildung 2b). Der Durchmesser des Halbkreises entspricht dem realen Widerstand des RC-Gliedes. Die Kapazität des RC-Gliedes kann über eine einfache Formel aus dem Impedanzspektrum herausgelesen werden (siehe dazu die Arbeit von Choi, W., Shin, H., et al.[3])
Da die passiven Bauelemente Widerstand, Kapazität und Spule nicht ausreichen, um ein Impedanzspektrum mit ausreichender Genauigkeit zu replizieren, wurde noch zusätzlich die Warburg-Impedanz eingefügt (Abbildung 2c), mit welchem es möglich ist die Gerade zu simulieren, die bei niederen Frequenzen auftritt. Als weiteres Element kann die Kapazität noch durch ein konstantes Phasenelement (CPE) ersetzt werden. Als einzelnes Element entspricht dies einem idealen Kondensator, der jedoch nicht mit dem Winkel 90° in Richtung der negativen Imaginärachse zeigt (Abbildung 2d, blauer Pfeil), sondern dem Winkel (n*90°) entspricht. n kann dabei Werte zwischen 0 und 1 annehmen (Abbildung 2d, grüner Pfeil). Für n=1 entspricht das CPE einem idealen Kondensator, für n=0 dagegen einem ohmschen Widerstand. Das CPE stellt somit eine Mischform dieser beiden Bauteile dar. In einem Parallelglied aus Widerstand und CPE führt das CPE dazu, dass der Halbkreis gekippt wird [4]. Der gekippte Halbkreis ist typisch für viele Impedanzverläufe, weswegen er häufig verwendet wird.
Abbildung 2: Darstellung von verschiedenen einfachen Ersatzschaltbilder im Nyquist-Diagramm. (a) RC-Glied mit zusätzlichem Widerstand; (b) Reihenschaltung aus zwei RC-Glieder und einem internen Widerstand; (c) RC-Glied mit Warburg-Impedanz und internen Widerstand; (d) R|| CPE-Glied mit internem Widerstand, Eigene Darstellung unter anderem nach Choi, W., Shin, H., et al.[3]
Die empirischen Modelle ermöglichen bereits genauere Aussagen über das Verhalten einer Zelle, die Parametrisierung erfolgt jedoch häufig relativ willkürlich, ohne dass sicher gegangen werden kann, dass das gewählte Ersatzschaltbild tatsächlich das korrekte Verhalten der Zelle repräsentieren kann.
Die zuverlässigsten Modelle, die für die Auswertung der Impedanzspektroskopie verwendet werden, basieren auf den physikalisch-chemischen Prozessen, die in der Batterie stattfinden. Diese setzen allerdings voraus, dass der innere Aufbau der Batterie genau bekannt ist. Die Modellbildung ist im Einzelfall teilweise sehr aufwendig. Die physikalisch-chemischen Konzepte basieren meistens auf der porösen Elektrodentheorie wie sie 1975 von John Newman und William Tiedemann entwickelt wurden (vgl. [5]). Für die Modelle werden alle Prozesse betrachtet, die einen Einfluss auf das Verhalten der Gesamtzelle haben. Die Theorie der porösen Elektroden basiert auf der Annahme, dass die Elektroden (Anode und Kathode) aus einer Vielzahl von miteinander verbundenen Poren bestehen, die mit Elektrolyten gefüllt sind. Die Größe, Form und Art der Poren werden dabei berücksichtigt.
In Abbildung 3 (a) ist der Aufbau einer Batterie, dargestellt. Die Anode und Kathode bestehen jeweils aus vielen kleinen Körnern („Grain“) aus Aktivmaterial (für die Anode hier Graphit, für die Kathode hier LCO), die in das flüssige Elektrolyt (Für Li-Ionen-Batterien) eingetaucht sind. Beim Entladevorgang bewegt sich das Lithium innerhalb eines Korns an dessen Korngrenze. Das Lithium deinterkaliert aus den Graphit-Körnern und spaltet sich in ein positiv geladenes Lithium-Ion und ein Elektron. Das Lithium-Ion wandert mit Hilfe des Leitsalzes (meist LiPF6) durch den porösen Separator zur Kathode. Das Elektron nutzt Leitruß (Carbon black), und wandert über den Minuspol und dem angeschlossenen Verbraucher zum Pluspol und gelangt auf diesem Weg zur Kathode. An den Korngrenzen der aktiven Kathodenpartikel reagieren Li-Ion und Elektron mit der Kathode. Das Lithium lagert sich dann zwischen den Kobaltoxid-Schichten ein[6],[7].
Abbildung 3: Bewegung der Ionen/Elektronen beim Entladen am Beispiel einer Lithium-Ionen-Batterie mit Graphitanode und LCO-Kathode, Eigene Darstellung
Um nun ein (annähernd) korrektes chemisch-physikalisches Ersatzschaltbild der Batterie zu erzeugen, müssen die einzelnen Einflussparameter des chemischen Entladevorgangs in einem Ersatzschaltbild modelliert werden. Dennoch wird auch hier noch mit Vereinfachungen gearbeitet und z.B. der Einfluss der SEI-Schicht auf der Oberfläche der Anode nicht berücksichtigt. In Abbildung 4 ist das Ersatzschaltbild für die Anode und den Separator für einen einzelnen Reaktionspfad dargestellt.
Die Bewegung der Li-Ionen, den Elektronen und auch der Anionen des Leitsalzes erfolgt nicht verlustfrei, weswegen diese mit ohmschen Widerständen (jeweils in Anode und für Li-Ion und Anion im Separator) berücksichtigt werden. Auch der Übergang von der Anode zum Stromkollektor ist nicht verlustfrei und wird im Modell miteinbezogen. Die Interaktion zwischen Li-Ion und Anion wird durch einen zusätzlichen Kondensator ausgedrückt.
Das Auslagern des Lithiums aus den Körnern des Aktivmaterials hat typischerweise einen großen Einfluss auf die messbare Impedanz. An den Korngrenzen findet die eigentliche chemische Reaktion der Li-Batterie statt. Für Graphitanoden gilt folgende Reduktionsgleichung:
Der Einfluss dieser Einlagerungsreaktion in die Kobaltoxidschichten wird durch einen Ladungstransferwiderstand RCT im Modell parametrisiert. Während der Reaktion kommt es an der Oberfläche des Aktivmaterialkorns zu einer Anreicherung sowohl des Lithiums als auch des Leitsalzrestes, weil die Ladungstransferreaktion deutlich schneller abläuft als die Diffusion (=Bewegung) der Lithium-Ionen durch das System. Die Anreicherung dieser Verbindungen wird im Modell durch eine Doppelschicht-Kapazität CDL parallel zum Ladungstransferwiderstand
RCT dargestellt.
Neben der Diffusion der Li-Ionen durch den Elektrolyten findet auch noch eine Diffusion innerhalb der Aktivmaterialkörner statt. An den Korngrenzen entsteht durch die dort stattfindende Reduktion des LiC6 zu Li+ ein Konzentrationsgefälle, was dazu führt, dass Lithium-Ionen innerhalb des Aktivmaterialpartikels von der Mitte zum Rand nachrücken (sogenannte Festkörperdiffusion). Diese findet in der Regel sehr langsam statt und wird daher im Modell berücksichtigt über die Warburg-Impedanz ZW[8].
Abbildung 4 beschreibt lediglich das Ersatzschaltbild für einen Li-Reaktionspfad. Für alle weiteren parallelen Li-Reaktionen müsste das Modell noch entsprechend erweitert werden. Außerdem wird nur eine Halbzelle aus Anode und Separator betrachtet. Das Ersatzschaltbild der Kathode gleicht qualitativ dem Anoden-Ersatzschaltbild und wird daher hier nicht näher beschrieben. Für Interessierte findet sich in [8] das vollständige Modell einer Gesamtzelle.
Abbildung 4: Ersatzschaltbildpfad für einen einzelnen Reaktionsweg von Anode bis Separator (Kathodenverlauf analog). Darstellung einer Graphitanode. Für ein komplettes Ersatzschaltbild müssten alle anderen Reaktionspfade parallelgeschaltet werden und die Kapazitäten untereinander berücksichtigt werden. Eigene Darstellung nach [8]
Ein vollständiges elektrochemisches Modell ist in der Regel zu aufwendig, um damit tatsächliche Vorgänge in der Batterie zu untersuchen. Daher ist es ein viel genutzter Ansatz, das Modell zu vereinfachen und Parameter zusammenzufassen oder wegzulassen, die nur einen geringen Einfluss auf das Ersatzschaltbild haben. Eine bekannte Vereinfachung stellt das De Levie Modell dar, welches die Auswirkungen der Diffusion von Ion und Anion in Separator, Anode und Kathode komplett vernachlässigt. Das Modell kann prinzipiell weiter vereinfacht werden. Zum Beispiel kann es möglich sein, dass man die ohmschen Widerstände in der Anode und Kathode komplett vernachlässigt. Es ergibt sich dann ein finales Ersatzschaltbild, wie es in Abbildung 5 dargestellt ist.
Die Beurteilung, welche Parameter des vollständigen physikalischen Ersatzschaltbildes vernachlässigt werden können ist allerdings nicht trivial. Es muss immer im Einzelfall konkret geprüft werden, welche Vereinfachungen zulässig sind, ohne das Ergebnis zu verfälschen. Werden beispielsweise nur hohe Frequenzen untersucht ist das Ignorieren der Diffusion in Separator, Anode und Kathode durchaus begründbar, für andere Untersuchungen ist diese Anpassung jedoch gegebenenfalls nicht zulässig[9]. Anders ausgedrückt: Das De Levie Modell kann im einen Fall eine hervorragende Genauigkeit aufweisen und für eine andere Zelle in einer anderen Versuchsreihe komplett versagen.
Abbildung 5: Vereinfachtes De Levie Modell einer Gesamtzelle. Die Zulässigkeit der Vereinfachung ist nicht pauschal gegeben, sondern muss durch geeignete Verfahren überprüft werden, Eigene Darstellung nach [9].
Dies ist der Grund, warum der Validierung der erstellten Modelle eine wichtige Bedeutung zukommt. Bereits für die gemessenen EIS-Rohdaten ist es sinnvoll, deren Qualität zu überprüfen. Mit Hilfe der Kramers-Kronig Analyse – einem Verfahren zur Überprüfung, ob die Messdaten linear, kausal und stabil sind – kann bereits eine erste Vorabuntersuchung durchgeführt werden [1]. Bei der Erstellung der physikalisch-chemisch basierten elektrischen Ersatzschaltbilder kann das Verfahren der DRT (Distribution of Relaxation Times) helfen. Häufig ist es schwierig für ein Impedanzspektrum, alle innwohnenden RC-Glieder zu finden, insbesondere wenn sich die jeweiligen Halbkreise teilweise überlappen. Mit der DRT ist es einfacher möglich, alle Zeitkonstanten zu finden und so korrekte Ersatzschaltbilder aufzustellen. Eine Erklärung des Verfahrens findet sich z.B. auf der Homepage von Biologic [10]. Zuletzt ist es (egal ob es sich um empirische oder physikalisch-chemische Ersatzschaltbilder handelt) immer sinnvoll, wenn möglich das Modell tiefgehender zu validieren. Eine Möglichkeit hierzu ist, einzelne Parameter wie z.B. die Schichtdicke der Anode zu verändern und dann zu überprüfen, ob das Modell diese Veränderung korrekt widerspiegelt [1].
Solid-State Batterien und Impedanzspektroskopie
Nachdem in den ersten beiden Abschnitten eine generelle Einführung in die Impedanzspektroskopie gegeben wurde und anschließend die Vorgehensweise zur Bildung von empirischen und elektrochemischen Ersatzschaltbildern erläutert wurde, befasst sich dieser Abschnitt nun speziell mit der Impedanzspektroskopie von Solid-State Batterien. Es wird zunächst ein kurzer Überblick über die aktuellen Anwendungen der Impedanzspektroskopie gegeben und anschließend auf die Besonderheiten der Ersatzschaltbild-Modellierung von Solid-State Batterien eingegangen. Zuletzt werden in einem Überblick weitere mögliche Forschungsfelder der Impedanzspektroskopie für Solid-State Batterien vorgestellt.
Einsatzmöglichkeiten der Impedanzspektroskopie von Solid-State Zellen
Der Einsatz der Impedanzspektroskopie beschränkt sich aktuell vor allem auf die Materialanalyse von Solid-State Batterien, was wenig überraschend ist, da sich diese Technologie überwiegend noch nicht in der Serienproduktion befindet. Häufig werden daher auch nicht Vollzellen untersucht, sondern lediglich Halbzellen, um Teilphänomene des Systems zu untersuchen. In Abbildung 6 sind exemplarisch einige Forschungsarbeiten aufgelistet, die Solid-State Batterien mit Impedanzspektroskopie untersucht haben.
Abbildung 6: Exemplarisch drei Forschungsarbeiten, die Impedanzspektroskopiemessungen an Solid-State Batterien durchgeführt haben und darauf basierend auch jeweils empirische bzw. vereinfachte physikalische Ersatzschaltbildmodelle aufgebaut haben, Eigene Darstellung mit Informationen von [11],[12],[13]
Ersatzschaltbilder von Solid-State Batterien
Der Grundaufbau einer Solid-State ähnelt zwar überwiegend den bisherigen Lithium-Ionen-Batterien, unterscheidet sich jedoch in einigen Bereichen recht deutlich von bisherigen Systemen. Im folgenden Abschnitt wird auf die Unterschiede eingegangen und analysiert, welchen Einfluss diese Abweichungen auf die Modellbildung des Ersatzsschaltbildes haben.
- Separator/Elektrolyt: Der offensichtlichste Unterschied der Solid-State Batterie zum Lithium-Ionen Akku liegt in dessen festen Elektrolyt, der gleichzeitig die Aufgabe des Separators übernimmt. In Lithium-Ionen-Modellen wird der Separator häufig mit einem RC-Glied (bzw. R-CPE-Glied für abgesenkte Halbkreise) und der Elektrolyt mit einem ohmschen Widerstand nachgebildet (vgl. [14].) Vadvha, Hu et al. [15] deuten an, dass ein solch einfaches Netzwerk für das Solid-State feste Elektrolyt gegebenenfalls nicht ausreicht, um die mikrostrukturellen Eigenschaften des Materials ausreichend zu berücksichtigen. Für sulfidbasierte LGPS-Elektrolyten wäre beispielsweise eine Modellierung mit einem R-CPE-Glied, Warburg-Impedanz und zwei ohmschen Widerständen denkbar (die allerdings zu einem Widerstand zusammengefasst werden können). Der eine Teil des ohmschen Widerstands würde dann dem Widerstand im Innern der polykristallinen Körner des Separators entsprechen und der andere Widerstand dem Grenzflächenwiderstand an der Oberfläche der Körner.
- Schnittstelle Anode|Elektrolyt und Kathode|Elektrolyt: Eine große Herausforderung bei Solid-State Batterien stellt außerdem die Schnittstelle zwischen dem festen Elektrolyten und dem Aktivmaterial der Anode bzw. der Kathode da. Dies gilt insbesondere für die Schnittstelle Li-Anode-Elektrolyt bei sulfidbasierten Elektrolyten, wo sich Abbauprodukte (ähnlich der SEI-Schicht bei Li-Ionen-Batterien) ablagern und zu einem deutlichen Anstieg des Schnittstellenwiderstandes führen [16], der sich dann auch durch einen weiteren Halbkreis im Nyquist-Plot bemerkbar macht (vgl. [13]). Da sich aktuell Solid-State-Batterien noch in der Entwicklung befinden, ist die finale Konfiguration für Serienzellen noch nicht absehbar. Eine Möglichkeit insbesondere Schnittstellen-Probleme (wie die bei Li-Anode|Schwefel-Elektrolyt) zu lösen, besteht in der Integration von zusätzlichen Schutzschichten oder künstliche SEI. Für die Ersatzschaltbild-Generierung müssten diese dann entsprechend berücksichtigt werden und wären dann gegebenenfalls auch durch weitere Halbkreise oder einer Realverschiebung im Nyquist-Diagramm sichtbar.
- Anode und Kathode: Während für die Kathoden-Seite erwartet wird, dass diese für Solid-State Batterien gleichbleibt und entsprechend auch mit dem bisherigen Ersatzschaltbild weitergearbeitet werden kann, unterscheidet sich die Anode mit Li-Metall anstelle von Graphit erheblich von heutigen Konfigurationen. Es gibt bisher wenige Arbeiten, die sich mit der Li-Anode von Solid-State Batterien auseinandergesetzt haben. Eine der Ausnahmen ist die Arbeit von Lee, Choi et al. [17], die AgF als Gitterstruktur für Anodeless-Anoden untersucht haben. Analysiert wurde hier das Impedanzspektrum bei 0 und 100 % SOC jeweils zu den Zyklen 0, 1, 3 und 10. Das zugehörige Ersatzschaltbild der Vollzelle (NMC|SE|AgF) wurde mit zwei R-CPE-Schwingkreisen, Warburg-Impedanz und ohmschen Widerstand definiert (ähnlich wie in Abbildung 5). Das Modell unterscheidet sich somit nicht grundsätzlich von Li-Ionen-Zellen mit Graphit-Zellen. In einer Untersuchung von Cheng, Kushida et al. [18] wurde die Alterung einer Solid-State Batterie mit LLZO-Elektrolyt, Li-Anode und einer mit LBO (Li3 BO3 ) beschichteten LCO-Kathode untersucht. Hier wurde das Ersatzschaltbild mit drei Schwingkreisen aufgebaut, um der extra LBO-Schicht Rechnung zu tragen. Ansonsten unterscheidet sich das Modell allerdings auch nicht von Modellen für Li-Ionen-Batterien.
Berücksichtigt man nun alle oben beschriebenen Einflüsse auf das elektrische Ersatzschaltbild einer Solid-State Batterie kann man nun darauf aufbauend ein Ersatzschaltbild erstellen. Dieses Ersatzschaltbild mit dem entsprechenden theoretischen Nyquist-Plot ist in Abbildung 7 dargestellt. Zur besseren Darstellung wurde angenommen, dass sich die einzelnen Halbkreise nicht überlagern, auch wenn dies insbesondere für die Ladungstransferprozesse zu erwarten ist. Es ist zu beachten, dass dieses (annähernd) vollständige Ersatzschaltbild für praktische Anwendungen insbesondere für Untersuchungen an Vollzellen viel zu kompliziert ist und geprüft werden muss, welche Komponenten in der Praxis vernachlässigt werden können. Einen Anhaltspunkt liefern hierfür die Ersatzschaltbilder der Studien aus Abbildung 6, auch wenn hier kein klares Bild vorherrscht, welcher Halbkreis welcher elektrochemischen Ursache zuzuordnen ist und hier eher von einer zu starken Vereinfachung ausgegangen werden muss.
Abbildung 7: (a) Vorschlag für ein Ersatzschaltbild für Solid-State Batterien, welches die relevanten physikalisch-chemischen Parameter berücksichtigt. (b) Theoretischer Nyquist-Plot, der sich aus dem Ersatzschaltbildmodell von (a) ergibt, unter der Annahme, dass keine Überschneidung der Halbkreise vorliegen (was in der Regel nicht der Realität entspricht), Eigene Darstellung.
Künftige Anwendungen von EIS:
Bislang ist das Forschungsumfeld der Impedanzspektroskopie für Solid-State Batterien noch relativ überschaubar und es gibt verhältnismäßig wenig arbeiten, die sich systematisch mit diesem Bereich auseinandersetzen. Zukunftsthemen, die für die Impedanzspektroskopie von Li-Ionen-Batterien inzwischen breitere Anwendung finden, sind für Solid-State Batterien noch weitestgehend Neuland und bieten Ansätze für weitere Forschung. Vadhva, Hu et al. [15] listet einige dieser Felder auf:
Dazu gehört z.B. die weitere Arbeit an der Standardisierung der Auswertung und Modellbildung der Messdaten. Bis heute gibt es kein einheitliches Vorgehen, wie systematisch Modelle mit hoher Qualität gebildet werden können. Auch das Überprüfen der Messdatenqualität mit Hilfe der Kramers-Kronig-Verfahrens ist weiterhin nicht Standard bei allen laufenden Forschungen. Allerdings gibt es Arbeiten, die diese Lücke schließen wollen und eine genaue Herangehensweise für die quantitative Analyse von Impedanzmessungen beschreiben. Insbesondere die verstärkte Nutzung der DRT-Analyse (Distrbution of Relaxation Times) kann hier Verbesserungen liefern[12].
Die Auswertung von Solid-State Batterie EIS-Daten mit Hilfe von Maschine-Learning Algorithmen ist ein weiteres Feld, welches noch viel Potential für weitere Forschung offenlässt. Insbesondere wenn erste Hersteller in den nächsten Jahren die Serienfertigung von Solid-State Batterien beginnen und große Mengen an Felddaten zur Auswertung zur Verfügung stehen, bietet das automatische Auswerten der Messdaten viel Optimierungspotential.
Ein weiteres Wachstumsfeld stellt die In-situ (also vor-Ort-Messung) der Impedanzspektroskopie während des Betriebs der Zellen dar. Eine Beispielanwendung ist hier die Messung der Impedanz während des Betriebs eines Elektroautos, also während es zum Beispiel geladen oder gefahren wird. Die Impedanzmessung würde hier zur Überwachung der Zellen dienen und könnte beispielsweise erkennen, wenn einzelne Zellen beschädigt sind. Für Solid-State-Halbzellen konnte bereits gezeigt werden, dass es potentiell möglich ist, Li-Plating und damit die Ausbildung von Dendriten zu erkennen [19].
Fazit
In diesem Artikel wurde ein Messverfahren vorgestellt, mit welchem es möglich ist, eine Zelle oder Teile einer Zelle zu untersuchen, ohne diese zu beschädigen. Die Impedanzspektroskopie ist ein Messverfahren, welches schon seit vielen Jahren für die Untersuchung von Lithium-Ionen-Batterien erfolgreich eingesetzt wird und das Einblicke in den physikalisch-chemischen Aufbau der Zelle ermöglicht. Das Messprinzip basiert darauf, dass ein elektrisches Wechselsignal in die Zelle gegeben wird und anschließend die Signalantwort gemessen wird. Durch Variieren der Signallänge kann ein ganzes Spektrum mit verschiedenen Frequenzen aufgenommen werden.
Die Auswertung der Spektren kann qualitativ über die Veränderung im Vergleich zu Look-up-tables oder durch elektrotechnische bzw. physikalisch-chemische Modelle erfolgen. Die physikalisch-chemischen Modelle erreichen grundsätzlich die höchste Genauigkeit, sind allerdings sehr schwer zu entwickeln und auch die Validierung ist nicht leicht. Das gängigste physikalisch-chemisches Modell für Li-Ionen-Batterien basiert auf der Theorie der porösen Elektroden und berücksichtigt alle relevanten chemischen Reaktionen und Schnittstellen, die einen Einfluss auf das System haben.
Die Anwendung der Impedanzspektroskopie für Solid-State Batterien stellt ein recht junges Forschungsfeld dar und deswegen gibt es bisher auch nur verhältnismäßig wenige Veröffentlichungen rund um dieses Thema. Bisherige Arbeiten nutzen vor allem einfache empirische Ersatzschaltbilder, um die Impedanz der Festkörperbatterien auszuwerten. Der wesentliche Unterschied der Impedanzspektren von Solid-State Batterien zu Li-Ionen Batterien liegt vor allem in den Schnittstellen zwischen Separator und Elektroden, die heute häufig noch ein Problem darstellen. Während diese für Li-Ionen Batterien häufig vernachlässigt werden können, ist dies bei Solid-State Batterien in der Regel nicht der Fall.
In diesem Artikel wurde – analog zu Vorschlägen wie sie auch für Li-Ionen-Batterien existieren, ein Vorschlag erarbeitet, wie ein vollständigeres Ersatzschaltbild für Solid-State Batterien ausschauen könnte. Dabei wurden die bekannten Einflussgrößen auf die Impedanz, die in anderen Arbeiten aufgedeckt wurden mitberücksichtigt. Das vorgestellte Ersatzschaltbild ist dabei lediglich als Denkanstoß für weitere Untersuchungen gedacht. Bisher fehlen wissenschaftliche Ausarbeitungen, wie ein physikalisch-chemisches Modell auf Basis der Theorie poröser Elektroden ausschauen kann.
Die Impedanzspektroskopie für Solid-State Batterien ist insgesamt ein Feld, in dem noch viel Entwicklungsbedarf besteht. Aufgrund der zunehmenden Kommerzialisierung der Solid-State Batterien ist jedoch davon auszugehen, dass diese Lücke in den nächsten Jahren zunehmend geschlossen wird.
Quellen
[1] Gamry Instruments: Basics of Electrochemical Impedance Spectroscopy, https://www.gamry.com/application-notes/EIS/basics-of-electrochemical-impedance-spectroscopy/
[2] Richardson, R., et al.: Battery internal temperature estimation by combined impedance and surface temperature measurement, 2014, Journal of Power Sources
[3] Choi, W., Shin, H., et al.: Modeling and Applications of Electrochemical Impedance Spectroscopy (EIS) for Lithium-ion Batteries, 2020, Electrochemistry Science Technology
[4] Lazanas, A., Prodomidis, M.: Electrochemcial Impedance Spectroscopy: A Tutorial, 2023 ACS Measurement Science
[5] Newman, J.,Tiedemann, W.: Porous-Electrode Theory with Battery Applications, 1975, AlChE Journal
[6] Korthauer, Reiner: Handbuch Lithium-Ionen-Batterien, 2013, Frankfurt
[7] Karlsruhe Institut für Technologie: Vorlesung Batteriemodellierung mit MATLAB – Grundlagen poröse Elektroden, 2017, Institut für Angewandte Materialien Werkstoffe der Elektrotechnik
[8] Moskon, J., Zuntar, J. et al.: A Powerful Transmission Line Model for Analysis of Impedance of Insertion Battery Cells: A case Study on the NMC-Li System, 2020, Journal of The Electrochemical Society
[9] Gaberscek. M: Impedance spectroscopy of battery cells: Theory versus experiment, 2022, Current Opinion in Electrochemistry
[10] Biologic: Distribution of Relaxation Times (DRT): how to identify equivalent circuits effeciently, 2022, https://www.biologic.net/topics/distribution-of-relaxation-times-drt-how-to-identify-equivalent-circuits-efficiently/
[11] Fan, B. Guan, Z.: Electrochemical processes in all-solid-state Li-S batteries studied by electrochemical impedance spectroscopy, 2021, Solid State Ionics
[12] Hori, S., Kanno, R.: Understanding the impedance spectra of all-solid-state lithium battery cells with sulfide superionic conductors, 2022, Journal of Power Sources]
[13] Bron, P., Roling, B. et al.: Impedance characterization reveals mixed conducting interphases between sulfidic superionic conductors and lithium metal electrodes, 2017, Journal of Power Sources]
[14] Westernhoff, U., Kurbach, K. et al.: Analysis of Lithium-Ion Battery Model Based on Electrochemical Impedance Spectroscopy, 2016, Energy Technology
[15] Vadvha, P., Hu, J. et al.: Electrochemical Impedance Spectroscopy for All-Solid-State Batteries: Theory, Methods and Future Outlook, 2021, Chemistry Europe]
[16] Fraunhofer Institute for Systems and Innovation Research ISI: Solid-State Battery Roadmap 2035+, Karlsruhe, 2022
[17] Lee, J., Choi. S. et al.: Room-Temperature Anode-Less All-Solid-State Batteries via the Conversion Reaction of Metal Fluorides, 2022 Advanced Materials
[18] Cheng, E., Kushida, Y. et al.: Degradation Mechanism of All-Solid-State Li-Metal Batteries Studied by Electrochemical Impedance Spectroscopy, 2022, Applied Materials & Interfaces
[19] Krauskopf, T., Hartmann, H. et al.: Toward a Fundamental Understanding oft he Lithium Metal Anode in Solid-State Batteries – An Elektrochemo-Mechanical Study on the Garnet Type Solid Electrolyte Li6.25Al0.25La3Zr2O12, 2019, Applied Materials & Interfaces