Welche Elektrolyte gibt es? Was können sie? Was sind die Vor- und Nachteile und welcher Elektrolyt hat das größte Potential den Markt zu dominieren? Dieser Artikel liefert die Antworten.
Anforderungen an Elektrolyte
Für die Entwicklung von Elektrolyten müssen einige Anforderungen erfüllt sein, damit diese kommerziell eingesetzt werden können. Wei, Chen et al. [1] definieren dabei acht Anforderungen, die alle gleichzeitig erfüllt sein müssen. In Abbildung 1 sind die Anforderungen grafisch dargestellt. Die Anforderungen lauten wie folgt:
Abbildung 1: Anforderungen an das Elektrolyt von Solid-State Batterien, nach Wei, Chen et al. [1], Eigene Darstellung
- Der Elektrolyt muss eine gute ionische Leitfähigkeit aufweisen (>10^-3 S/cm bei Raumtemperatur), damit Li+-Ionen von der Anode zur Kathode und zurück wandern kann
- Der Elektrolyt muss eine sehr geringe elektrische Leitfähigkeit aufweisen (<1^-9 S/cm), damit es keine Kurzschlüsse gibt und die Selbstentladung gering ausfällt
- Der Widerstand der Schnittstelle Anode/Elektrolyt und Kathode/Elektrolyt muss minimal sein
- Das System muss chemisch stabil sein und es dürfen keine parasitären Reaktionen stattfinden, um eine Selbstzersetzung des Systems zu verhindern.
- Das System muss elektrochemisch und einen großen Spannungsbereich gegenüber Li+ aufweisen
- Das System muss mechanisch stabil sein und gut mit den anderen Zellkomponenten zusammenpassen (z.B. muss der Ausdehnungskoeffizient ähnlich sein)
- Der Elektrolyt muss einfach herzustellen sein
- Der Elektrolyt muss billig sein
Überblick über Elektrolytarten
Für die Solid-State-Batterie für den Einsatz im Automotive Bereich kommen im Wesentlichen drei Gruppen von Festkörperelektrolyten in Frage: oxidbasierte, sulfidbasierte und polymerbasierte Elektrolyten. Die Wesentlichen Eigenschaften dieser drei Typen und welche Vor- und Nachteile sie aufweisen sind im Folgenden beschrieben. In Abbildung 2 sind die Stärken und Schwächen der verschiedenen Elektrolyte im Vergleich dargestellt.
Abbildung 2: Vergleich der Eigenschaften von Polymer, Oxid und Sulfid-Elektrolyt, Eigene Darstellung
Polymere
Polymer-basierte Elektrolyten sind heute der Kommerzialisierung am nächsten und werden in ersten Projekten bereits eingesetzt (z.B. im Mercedes Benz Bus eCitaro[2]). Polymer-Elektrolyten bestehen aus einer Polymermatrix in welcher Lithium-Salz gelöst ist und weiteren Aditiven. Von ihren Eigenschaften sind sie Flüssig-Elektrolyten am ähnlichsten [3]. Typische Polymer Elektrolyte sind PEO (Polyethylenoxid), PAN (Polyacrylonitrile), PMMA (Polymethylmethacrylat) und PVdF (Polyvinylidenefluorid) [4].
Ionische Leitfähigkeit: Die Ionische Leitfähigkeit ist das größte Problem von polymerbasierten Elektrolyten und liegt im besten Fall bei Raumtemperatur bei ca. 1 mS/cm, wobei es allerdings noch nicht gelungen ist, diese Werte im kommerziellen Einsatz zu erreichen. Die ionische Leitfähigkeit ist dabei stark temperaturabhängig und steigt mit höheren Temperaturen. Ein Heizen der Zellen ist daher für einen Einsatz im Automobil notwendig [3].
Elektrische Leitfähigkeit: In der Literatur sind z.B. für PEO/PVdF-Kombinationen Leitwerte von 4.4 x 10^-8 S/cm angegeben [5]. Auch wenn hier noch Verbesserungspotential besteht, ist davon auszugehen, dass die Leitfähigkeit ausreicht.
Schnittstellenkompatibilität Anode/Elektrolyt: Die grundsätzliche Schnittstellenstabilität wird als gut beschrieben [6]. Das Material kommt gut mit den Volumenänderungen durch die Lade- und Entladeprozesse klar, was insbesondere bei Li-Metall als Anode sonst häufig ein Problem darstellt. Ein weiteres Problem ist, dass es bei Polymeren Tendenzen gibt Dendriten auszubilden [3].
Schnittstellenkompatibilität Kathode/Elektrolyt: Mit konventionellen Kathodenmaterialien besteht eine gute Schnittstellenkompatibilität [7].
Chemische Stabilität: Die chemische Stabilität ist ausreichend und für einige Elektrolyt-Subtypen (z.B. PEO) ist der Einsatz von Li-Metall als Anode möglich [3].
Elektrochemische Stabilität: Die elektrochemische Stabilität kann als gering bezeichnet werden. Der Einsatz von Hochspannungskathoden ist nicht ohne weiteres möglich [3].
Mechanische Stabilität: Die mechanische Stabilität gilt als gut [6], insbesondere aufgrund der großen Flexibilität des Materials. Oxide schneiden allerdings trotzdem etwas besser ab [7].
Herstellbarkeit: Die Herstellung ist einfach und es existieren bereits Verfahren für die industrielle Fertigung [7], insbesondere der Herstellung im Dünnschichtverfahren [6].
Kosten: Die verwendeten Materialien sind günstig und leicht verfügbar. Es wird wenig teures Lithium benötigt, da die Strukturstabilität von Polymerverbindungen erreicht wird. Insgesamt sind Polymer-Elektrolyten am günstigsten [3].
Oxide
Oxid-Solid-Elektrolyten sind eine Gruppe von Elektrolyten, die aus Verbindungen aus Lithium und Sauerstoff bestehen. Das Ganze wird um weitere Elemente wie Titan, Lanthan oder Germanium ergänzt. Bei Oxid-Elektrolyten gibt es diverse Untertypen, die sich teilweise deutlich in der chemischen Zusammensetzung unterscheiden. Die wichtigsten Oxid-Typen sind LiPon, NASICON, GARNET und Perowskit, wobei für den LiPon und Perowskit eigentlich ausgeschlossen ist, dass diese sich für den Einsatz als großformatige Solid-State-Batterien eignen [3].
Ionische Leitfähigkeit: Die Ionische Leitfähigkeit von Oxid-Elektrolyten liegt im Vergleich im Mittelfeld bei max. 1mS/cm. Sie ist damit besser als bei Polymer-Elektrolyten, aber schlechter als bei Sulfid-Elektrolyten [3].
Elektrische Leitfähigkeit: Die elektrische Leitfähigkeit wurde in der Literatur bisher nur am Rande untersucht. Für das Oxidelektrolyt LLZO wird in der Literatur ein Wert von 10^-8 – 10^-7 S/cm angegeben, es werden aber Maßnahmen genannt, wie dieser Wert verbessert werden kann [8]. Die Elektrische Leitfähigkeit scheint somit kein großes Hindernis darzustellen.
Schnittstellenkompatibilität Anode/Elektrolyt: Die Schnittstelle zwischen Elektrolyt und Elektroden ist einer der Hauptprobleme des Oxid-Elektrolyt. Der Elektrolyt ist so steif und brüchig, dass er sich nicht gut an die Elektroden anschmiegt, was zu Kontaktverlusten führt [3]. Es gibt zwar Ansätze, wie das Einbringen zusätzlicher Schutzschichten oder das Anbringen einer künstlichen SEI-Schicht. Diese Maßnahmen sind aber noch im Forschungsstadium, weswegen die Schnittstellen heute noch immer eine der Schwachstellen der Oxid-Elektrolyte sind [1].
Schnittstellenkompatibilität Kathode/Elektrolyt: Die Ionenleitfähigkeit ist zu schlecht, um als dicke Elektrolytschicht eingesetzt zu werden. Als Lösung wird beispielsweise vorgeschlagen eine Gel-Beschichtung aufzutragen, die einen guten Übergang der Ionen von Kathode zu Elektrolyt sicherstellt [3]. Anstelle von Gel können auch kleine Mengen flüssiger Elektrolyt aufgetragen werden [9]. Bei Gel- oder Flüssigkeitszugabe spricht man dann allerdings nicht mehr von einer All-Solid-State-Batterie (ASSB), sondern von einer Semi-Solid-State-Batterie (SSSB).
Chemische Stabilität: Das System ist so stabil, dass Li-Metall-Anoden prinzipiell möglich sind [3]. Es zeichnet sich zudem aus, dass es bei Umgebungsbedingungen betrieben werden kann [7]. Oxidelektrolyte funktionieren auch bei sehr hohen Temperaturen [3]. Für LLZTO konnte auch gezeigt werden, dass ein Einsatz bei Umgebungsbedingungen möglich ist [10].
Elektrochemische Stabilität: Oxide sind elektrochemisch stabil und es ist möglich, Hochspannungskathoden einzusetzen [3].
Mechanische Stabilität: Oxid-basierte Elektrolyten gelten im Vergleich als besonders mechanisch stabil [3], allerdings leiden sie dennoch unter einer hohen Anfälligkeit dafür, dass Dendriten entlang der Korngrenze wachsen [1].
Herstellbarkeit: Das Material ist in der Herstellung besonders hart und brüchig. Darüber hinaus müssen die Elektrolyte bei sehr hohen Temperaturen gesintert werden, um dichte Schichten mit geringen Korngrenzenwiderständen erreichen zu können. Aktuell ist der Herstellungsprozess daher sehr komplex und es ist daher nur eine nasschemische Verarbeitung möglich [3]. Wie die Skalierung hin zu großen Stückzahlen gelingen kann, ist momentan noch Gegenstand der Forschung [7].
Kosten: Aufgrund der schwierigen Herstellbarkeit, weil das Material hart und brüchig ist und weil ein energieintensiver Sinterprozess nötig ist, ist das Elektrolyt teuer [3].
Sulfide
Sulfidbasierte Elektrolyten sind alles Elektrolyten die aus Verbindungen bestehen, die mindestens Lithium und Schwefel beinhalten. Ergänzend wird häufig Phosphor, Silizium, Germanium oder Halogenide (Elemente der siebten Hauptgruppe: Fluor, Chlor etc.) eingesetzt [3]. Typische Sulfide sind glasartige Li-P-S (LPS), Glaskeramiken, Agryodite (Li6PS5X), LISICON (Lithium superionic conductor) und Li10GeP2S12 (LGPS) [11].
Ionische Leitfähigkeit: Die Ionische Leitfähigkeit ist einer der Vorteile der Sulfid-Elektrolyten. Mit 10^-2 S/m werden hier bereits Werte erreicht, die in einer ähnlichen Größenordnung wie flüssige Elektrolyte sind [11].
Elektrische Leitfähigkeit: Die elektrische Leitfähigkeit ist bei einigen Varianten der Sulifid-Elektrolyten eine Schwachstelle (z.B. Thio-LISICON Elektrolyte). Es konnte auch gezeigt werden, dass eine hohe elektrische Leitfähigkeit die Neigung erhöht Dendriten auszubilden [12].
Schnittstellenkompatibilität Anode/Elektrolyt: Aufgrund einer schlechten elektrochemischen Stabilität (siehe weiter unten) tendieren Batterien mit dieser Chemie dazu, parasitäre Schichten auf der Oberfläche der Schnittstellen auszubilden [11]. Dies resultiert in hohen Widerständen. Die Schnittstellenkompatibilität gilt als größtes Problem der Sulfid-Elektrolyten.
Schnittstellenkompatibilität Kathode/Elektrolyt: Die Schnittstelle Kathode/Elektrolyt ist ebenfalls einer der Probleme, die den Einsatz des Elektrolyten behindern. Als Problemursache ist hier ebenfalls die schlechte elektrochemische Stabilität zu nennen. Mit Hilfe von Schutzschichten kann das Problem allerdings reduziert werden. Allgemein wird die Schnittstelle Kathode/Elektrolyt als weniger kritisch gesehen als die Schnittstelle Anode/Elektrolyt [3].
Chemische Stabilität: Sulfid-Elektrolyten sind nicht gut für Li-Metall geeignet, da sie mit dem Material chemische Verbindungen eingehen [3]. Die chemische Stabilität ist im Vergleich mit Oxid und Polymer-Elektrolyten deutlich schlechter [7].
Elektrochemische Stabilität: Das Stabilitätsfenster von sulfidischen Elektrolyten ist sehr gering und liegt nur in einer Größenordnung von 1. 7V - 2.3 V gegenüber Li+ [3].
Mechanische Stabilität: Aufgrund der Weiche und Formbarkeit des Materials, kann sich der Elektrolyt sehr gut an die Anode anschmiegen. Durch Verpressen der Komponenten kann der Korngrenzenwiderstand deutlich verringert werden und die Tendenz, Dendriten auszubilden ist verringert [3]. He [7] beurteilt die Stabilität dennoch als schlechter als bei Oxiden und Sulfiden.
Herstellbarkeit: Die Herstellung von Sulfid-Elektrolyten ist sehr aufwendig, weil sie in einer Schutzgasumgebung stattfinden muss, da das Material Anfällig für feuchte Umgebungen ist. Es kann so außerdem verhindert werden, dass sich das giftige Gas H2S bildet. Es ist zwar möglich die Materialien bei Umgebungstemperaturen herzustellen, es ist aber schwierig, die Schichtdicke zu reduzieren [11]. Insgesamt wird aber davon ausgegangen, dass eine Produktion auch in größeren Mengen möglich ist [7].
Kosten: Es wird erwartet, dass die Herstellungskosten zwischen denen von Oxiden und Polymeren liegen werden [7].
Ausblick
Aus heutiger Sicht ist noch nicht klar ausgemacht, welche Elektrolytvariante dominieren wird. Polymere sind zwar die heute am meisten eingesetzten Systeme, aufgrund der schlechten Ionenleitfähigkeit bei Raumtemperatur und der deshalb nötigen Heizung können die Vorteile der Solid-State-Batterie jedoch nicht voll ausgespielt werden.
Oxid- und Sulfid-Elektrolyte sind beide noch weiter von einer Kommerzialisierung entfernt und es müssen noch erhebliche Forschungsaufwände unternommen werden, um diese Systeme in Serienproduktion zu bringen. Ihre potenziellen Eigenschaften könnten aber mittelfristig dazu führen, dass Polymer-Elektrolyten verdrängt werden.
Oxid-Elektrolyten sind insbesondere aufgrund ihres Betriebs bei Umgebungstemperaturen vielversprechend. Vor einer Kommerzialisierung müssen allerdings insbesondere noch die Schnittstellenprobleme behoben werden und günstige Produktionsverfahren entwickelt werden.
Sulfid-Zellen kämpfen heute insbesondere mit der schlechten Schnittstellenkompatibilität und einer ungenügenden (elektro-)chemischen Stabilität. Gelingt es, diese Probleme zu beseitigen, könnten diese aufgrund ihrer exzellenten ionischen Leitfähigkeit einen erheblichen Marktanteil besetzen.
Quellen
[1] Wei, R., Chen, S. et. al.: Challenges, fabrications and horizons of oxide solid electrolytes for solid-state lithium batteries, 2021, Shanghai.
[2] Mercedes Benz: eCitaro, Battery Technology, 2023, https://www.mercedes-benz-bus.com/de_DE/models/ecitaro/technology/battery-technology.html
[3] Fraunhofer Institute for Systems and Innovation Research ISI: Solid-State Battery Roadmap 2035+, Karlsruhe, 2022
[4] Stephan, A., Nahm, K.: Review on composite electrolytes for lithium batteries, 2006, Polyner, Volume 47.
[5] Rathika, R., Padmaraj, O.: Electrical conductivity and dielectric relaxation behavior of PEO/PVdF-based solid polymer blend electrolytes for zinc battery applications, 2017, Ionics 24, 243-25.
[6] Aziz, S., Woo, T.: A conceptual review on polymer electrolytes and ion transport models, 2018, Journal of Science: Advanced Materials and Devices.
[7] IDTEchEx, Xiaoxi He: Solid State Batteries for EV Applications, June 2022, Conference Battery Show Stuttgart
[8] Kim, A., Woo, S. et al: Research Progresses of Garnet-Type Solid Electrolytes for Developing All-Solid-State Li Batteries, 2020, Pohang University of Science and Technology.
[9] Zhaoa, Zhaoa et al: Liquid phase therapy to solid electrolyte-electrode interface in solid-state Li metal batteries: A review, 2020 Energy Storage Materials, Pages 75-84.
[10] Mauger, A., Julien, C., Paolella, A. et.al. : Building Better Batteries in the Solid State: A review, 2019, Sorbonne Université.
[11] Zhang, Q., Cao, D. et al: Sulfide-Based Solid-State Electrolytes: Synthesis, Stability, and Potential for All-Solid-State Batteries, 2019, Advanced Materials, Northeastern University.
[12] Wang, S., Fang, R. et al : Interfacial challenges for all-solid-state batteries based on sulfide solid electrolytes, 2020, Journal of Materionmics.