Wie sicher sind Solid-State-Batterien eigentlich? Halten sie ihr Versprechen von absoluter Sicherheit? Wie verhält sich eine Solid-State-Batterie bei missbräuchlicher Behandlung? Dieser Artikel liefert die Antworten.
Einer der Limitierungen von heutigen Lithium-Ionen-Akkus mit flüssigen Elektrolyten liegt neben der Einschränkungen in der Energiedichte in ihrer Sicherheit. Bei Verwendung und insbesondere bei missbräuchlicher Behandlung von Zellen, aber auch aufgrund von Fehlern in der Herstellung der Zelle besteht die Gefahr, dass es zu einer unkontrollierten Freisetzung der in der Batterie enthaltenen Energie kommt und es dementsprechend zu einer Explosion der Zelle kommt, die dann auch Nachbarzellen in Mitleidenschaft ziehen können.
Der Solid-State-Batterie wird zugesprochen, deutlich sicherer zu sein, als konventionelle Li-Ionen-Batterien. Ob dies zutrifft, wird in diesem Artikel näher untersucht:
Thermal Runaway in Li-Ionen-Batterien mit flüssigen Elektrolyten:
Um herauszufinden, ob in Solid-State-Batterien ein Thermal Runaway stattfinden kann, ist es zweckdienlich, zunächst zu verstehen, wieso es in heutigen Zellen zu einem thermischen Durchgehen kommt:
Der grundsätzliche Ablauf eines Thermal Runaways bei Li-Batterien mit flüssigem Elektrolyt ist in der Literatur gut bekannt und wird z.B. von Ruiz und Pfrang[1]beschrieben. Genauere Temperaturen für die einzelnen Schritte werden in [2] beschrieben. Der genaue Ablauf hängt immer von der exakten Zellchemie ab und Temperaturen geben nur eine ungefähre Größenordnung wieder, der prinzipielle Ablauf ist aber wie folgt:
Wird aufgrund einer Triggersituation die Batterie auf über 85 °C erwärmt, fängt zunächst die SEI-Schicht an, sich zu zersetzen und ab 120 °C beginnt die Anode mit dem Elektrolyt zu reagieren. Dies ist eine exotherme Reaktion, die mit 150 J/g die Batterie weiter erwärmt. Ab 130 °C beginnt der Separator in einer endothermischen Reaktion zu schmelzen. Das Elektrolyt beginnt bei 200°C sich mit 250 J/g exotherm aufzulösen. Anschließend beginnt die Zersetzung der Kathode. Die Zersetzungstemperatur richtet sich dabei nach der Art der Kathode: Bei LCO startet die Zersetzung bei 150°C, bei LMO bei 265°C und bei LFP erst bei 310°C. Bates, Preger u.a. [3] haben die Zersetzung der Kathode für NMC-Kathode beschrieben. Das Nickel, Cobalt und Mangan der NMC-Kathode zersetzt sich (im Wesentlichen) nach folgenden chemischen Gleichungen:
2 NiO2→2 NiO+O2 (Gl. 1)
2 CoO2→2 CoO+O2 (Gl. 2)
2 MnO2→2 MnO+O2 (Gl. 3)
Entscheidend ist hierbei das jeweils entstehende Sauerstoff-Molekül. Dies reagiert mit dem Elektrolyt in der Zelle und setzt dabei in kurzer Zeit sehr viel Wärme (450-600 J/g, je nach Elektrolyt) frei, was die Zelltemperatur stark ansteigen lässt. Für EMC (Ethyl-Methylcarbonat) – ein typisches Elektrolytmaterial – schaut die Gleichung folgendermaßen aus:
2 C4H8O3 + 9 O2 →8 CO2 + 8 H2O (Gl. 4)
Es kommt zu weiteren Reaktionen, wie dem Zersetzen des Elektrolyten und das Schmelzen der Strom Kollektoren. Die Zersetzungsreaktionen in der Zelle führen zur Ausbildung von entzündlichen Gasen, die einerseits den Druck in der Zelle ansteigen lassen und andererseits auch in einer Explosion münden können, wenn nicht vorher die Venting-Kanäle in der Zelle geöffnet werden. Die Thermal-Runaway-Kaskade für Lithium-Ionen-Zellen mit flüssigem Elektrolyt ist in Abbildung 1 (a) visualisiert.

Abbildung 1: Thermal Runaway Kaskade im Vergleich zwischen (a) konventionellen Li-Ionen-Batterien mit flüssigen Elektrolyten und (b) All-Solid-State-Batterien. Exotherme (Energie frei setzende) Reaktionen die den Thermal Runaway weiter beschleunigen sind rot, endotherme (Energie konsumierende) Reaktionen, die die weitere Erwärmung bremsen sind blau markiert, Eigene Darstellung.
Ursachen für potentielle Thermal Runaways in Solid-State-Batterien:
Auch bei Solid-State-Batterien gibt es Mechanismen und Zersetzungsreaktionen, wenn eine Batterie in schädliche Betriebszustände gebracht wird. X. Yu, R. Chen u.a. [4] erwarten dabei eine deutlich verbesserten Sicherheit aufgrund der mechanischen, elektrischen und chemischen Festigkeit des Systems mit festen Elektrolyten. Bates, Preger u.a. [3] kommen dagegen zu dem Fazit, dass es durchaus auch in Solid-State-Batterien zu Beschädigungen kommen kann und unterscheiden dabei verschiedene Schadensmechanismen:
- Für starke externe Erwärmungen gehen sie davon aus, dass es wie bei Li-Ionen-Akkus mit flüssigem Elektrolyt zu einer Zersetzung der Kathode kommen kann (wird eine NMC-Kathode verwendet gelten Gleichung 1,2,3). Aufgrund des festen Elektrolyten reagiert der Sauerstoff aber nicht weiter und die Reaktionskaskade ist gestoppt.
- Wird allerdings der feste Elektrolyt z.B. durch eine mechanische Beschädigung durchlässig für den Sauerstoff aus der Kathodenzersetzung, gelangt der Sauerstoff zur Anodenseite zum Lithium-Metall. Der Sauerstoff reagiert mit dem Lithium nach folgender Gleichung: 4Li+O2 → 2 Li2O(Eq. 5). The reaction is so strongly exothermic that it leads to melting of the Li metal anode.
- Kommt es aufgrund von Dendriten-Bildung auf der Anodenseite zu einem Durchstechen des festen Elektrolyten und damit zu einem Kurzschluss zwischen Anode und Kathode, wird die komplette chemisch gespeicherte Energie in Wärme innerhalb der Zelle umgewandelt. Je höher der Ladezustand ist, desto mehr Lithium kann von der Anode auf die Kathodenseite wandern.
Die Dendritenbildung wird als besonders kritische Beschädigung gewertet, insbesondere weil mit Li-Metall-Anoden deutlich höhere Energiedichten verbunden sind und so zu extremer Erwärmung in der Zelle führt. Es gibt dabei auch schon Ansätze wie das Auftreten von Dendriten verhindert werden kann: Zhang, Wang et.al. [5] schlagen beispielsweise vor, Solid-State-Batterien zu verpressen, da dies das Entstehen von Dendriten verhindern soll. Wu, Wang et.al. [6] zeigen, dass die richtige Wahl des Separators das Auftreten von Dendriten verhindern kann.
Wie schaut es mit weiteren typischen Schadensmechanismen wie Überladen, externem Kurzschluss und mechanischer Beschädigung aus? Solid Power, eine der Firmen, die an Solid-State-Batterien forschen haben dazu Tests durchgeführt [7]:Beim Überlade-Test wurden an die Zelle 15 V angelegt. Die Temperatur der Zelle kletterte daraufhin auf durchschnittlich 69 °C und die Zellspannung erhöhte sich etwas. Weitere Schäden wurden aber nicht festgestellt. Im Kurzschlusstest mit externen Lasten zwischen 0,1 - 0,5 Ohm konnte eine Temperaturerhöhung auf 112 °C festgestellt werden und ein Spannungseinbruch von max. 1,27 V. Um die Auswirkung mechanischer Beschädigungen zu testen, wurde ein Nail-Penetration Test (Eine Leitfähige Nadel wird in die Batterie gestochen) durchgeführt, der zu einem leichten Rückgang der Spannung führte. Weitere Schäden traten nicht auf. Die Ergebnisse von Solid-Power sind aufgrund des Prototypenstatus und einer nur kleinen Batchgröße von drei Zellen mit Vorsicht zu genießen. In Abbildung 2 sind die möglichen Ursachen im Vergleich zwischen Solid-State-Batterie und Flüssig-Elektrolyt-Zelle dargestellt.

Abbildung 2: Überblick über die Ursachen von Thermal Runways für Li-Ionen-Batterien und Solid-State-Batterien, Eigene Darstellung.
Ablauf des Thermal Runaway in Solid State Batterien:
Welche Reaktionen sind nun in einer Solid-State-Batterie möglich, um ein Thermal Runaway zu verursachen: Grundsätzlich ist festzuhalten, dass davon auszugehen ist, dass der Arbeitsbereich einer Solid-State-Zelle deutlich größer ist als für Flüssig-Elektrolyt-Zellen. X. Yu, R. Chen u.a [4] erwarten, dass Solid-State-Batterien auch Hot-Box-Tests bis 200 °C überstehen werden und sich damit wesentlich toleranter gegenüber höherer Temperatur erweisen als konventionelle Zellen. Bei reinen Li-Metall-Anoden besteht allerdings das Problem, dass Lithium bereits bei 180°C flüssig wird. In wie weit das flüssige Lithium ein Sicherheitsrisiko darstellt bleibt zu untersuchen. In der Literatur gibt es aber Ansätze, statt reinem Lithium, Lithium-Verbindungen wie Li5Ba4 einzusetzen, was die Schmelztemperatur auf 325°C erhöhen würde (vgl.[8]).
Die Zersetzung der Kathode (zumindest für eine NMC-Kathode) ist für Nickel Mangan und Kobalt teilweise endotherm bis leicht exotherm (vgl. Shurtz und Hewson [7]) , sodass es eher unwahrscheinlich sein dürfte, dass diese Reaktionen bereits die Thermal-Runaway-Kaskade in Gang setzen. Da es kein flüssiges Elektrolyt gibt, folgern X. Yu, R. Chen u.a [4] daraus, dass es keine Bildung von brennbaren Gasen gibt, was die Sicherheit deutlich erhöhen würde. Chen, Nolan, u.a. [8] stellen allerdings fest, dass es möglich ist, dass sich auch feste Separatoren bei höheren Temperaturen zersetzen können, und Sauerstoff herauslösen, das dann mit dem Li der Lithium-Metall-Anode reagiert und die Zelle aufheizt. Sie räumen aber ein, dass erwartet wird, dass die Lithium-Sauerstoffreaktion deutlich langsamer ablaufen dürfte, als wenn bei Flüssigzellen sich brennbare Gase gebildet haben und diese explosionsartig Verbrennen. Bei festen Elektrolyten liegt das Lithium in fester Form vor und somit nur an der Li-Anodenoberfläche Reaktionen ablaufen können. In Abbildung 1 (b) ist die Thermal-Runaway-Kaskade mit den heute bekannten Reaktionen dargestellt. Da an der chemischen Zusammensetzung noch aktiv geforscht wird, ist davon auszugehen, dass noch nicht alle möglichen parasitären Reaktionen heute bekannt sind.
Fazit: Sicherer ja, aber…
Im Vergleich der Solid-State-Batterie mit Li-Ionen-Batterien mit flüssigen Elektrolyten stellt die Solid-State-Batterie insgesamt das sicherere System dar. Es deutet sich an, dass die Solid-State-Batterie auch bei höheren Temperaturen eingesetzt werden kann, ohne dass sich hieraus die Gefahr eines thermischen Durchgehens ergibt. Flüssiges Elektrolyt und dessen Reaktion mit dem Sauerstoff der Kathode stellt heute das größte Sicherheitsrisiko bei konventionellen Zellen dar. Diese Reaktion ist für All-Solid-State-Batterien nicht möglich.
Die Verwendung von Lithium-Metall-Anoden bringt allerdings neue Risiken: Die potentielle Reaktion mit Sauerstoff muss verhindert werden, da diese Reaktion aufgrund der allgemein höheren Energiedichte in Solid-State-Batterien potentiell noch höhere Schäden anrichtet, als das Verbrennen der Gase in Flüssig-Elektrolyt-Zellen.
Ein interner Kurzschluss verursacht durch Dendriten ist in Solid-State-Batterien genauso gefährlich wie für konventionelle Zellen. Gerade die Li-Metall-Anode neigt dabei besonders schnell zu Dendriten Bildung, sodass hiervon eine erhöhte Gefahr ausgeht. Überladen und externe Kurzschlüsse führen zumindest in bisherigen Versuchsreihen zu keinem thermischen Durchgehen.
Es bleibt abzuwarten, welche Sicherheitsrisiken bis zur Serienproduktion eliminiert werden können. Zumindest für die erste Generation von Solid-State-Batterien in Fahrzeugen ist aber eher nicht zu erwarten, dass man auf Sicherheitssysteme wie Modulheizungen und Kühlungen oder mechanische Schutzeinrichtungen verzichten kann.
Quellen
[1] Ruiz, V., Pfrang. A.: Safer Li-ion batteries by preventing thermal propagation, JRC technical reports, European Commision, Luxembourg, 2018
[2] Loveridge, M., Remy, G. u.a.: Looking Deeper into the Galaxy (Note 7), Warwick University, 2018
[3] Bates,A., Preger,Y., u.a: Are solid-state batteries safer than lithium-ion batteries, Louisville, 2022
[4] X. Yu, R. Chen, L. Gan, H. Li, L. Chen, Battery Safety: From Lithium-Ion to Solid-State Batteries, Engineering (2022), doi: https://doi.org/10.1016/j.eng.2022.06.022
[5] Zhang, X., Wang, Q.J., Harrison, K.L., Jungjohann, K., Boyce, B.L., Roberts, S.A., Attia, P.M., and Harris, S.J. (2019). Rethinking how external pressure can suppress dendrites in lithium metal batteries. J. Electrochem. Soc.166, A3639–A3652. https://doi.org/10.1149/2.0701914jes.
[6] Wu, B., Wang, S., Lochala, J., Desrochers, D., Liu, B., Zhang, W., Yang, J., and Xiao, J. (2018). The role of the solid electrolyte interphase layer in preventing Li dendrite growth in solidstate batteries. Energy Environ. Sci. 11, 1803–1810. https://doi.org/10.1039/C8EE00540K.
[7] SolidPower: Are Solid-State Cells Safer?, 19.10.22, Are Solid-State Cells Safer? – Solid Power (solidpowerbattery.com)
[8] Fu, L., Wan, M. et al.: A Lithium Metal Anode Surviving Battery Cycling Above 200 °C,2020, https://doi.org/10.1002/adma.202000952
[9] Randy C. Shurtz and John C. Hewson 2020 J. Electrochem. Soc. Review.materials Science Predictions of Thermal Runaway in Layered Metal-Oxide Cathodes: A Review in Thermodynamics
[10] Chen, R., Nolan, A.M., Lu, J., Wang, J., Yu, X., Mo, Y., Chen, L., Huang, X., and Li, H. (2020). The thermal stability of lithium solid electrolytes with metallic lithium. Joule 4, 812–821. https://doi.org/10.1016/j.joule.2020.03.012.